Warum soll das hier Kunst sein? Sind Sie wegen der Kunst gekommen? Welchen Kontext hat diese Kunst jetzt hier? Dieses Buch regt dazu an, Fragen zu stellen, die sonst nicht aufkommen würden. Es ermutigt dazu, über Kunstvermittlung nachzudenken und einen eigenen Zugang zur Kunst zu finden, ohne sich auf institutionelle Angebote wie Audioguides oder Führungen zu verlassen. Angeli Janhsen, Kunsthistorikerin und Professorin am Kunsthistorischen Institut der Universität Freiburg, hat ein Fragenbuch verfasst, das provozierende und erheiternde Impulse gibt, um die individuelle Betrachtung von Kunst zu fördern. „Kunst selbst sehen“ lädt dazu ein, Antworten zu suchen und eigene Fragen zu formulieren. Janhsen bietet Platz für Notizen, Gedanken und Ideen und schafft einen Dialog über Kunst. Ihr Ansatz vermittelt Kunst auf niederschwellige Weise, ohne den Betrachter zu entmündigen, und reflektiert die eigenen Voraussetzungen. Während die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts Ordnungssysteme schuf, fördert die zeitgenössische Kunstbefragung einen offenen Diskurs. Nichts ist dabei wichtiger als Fragen – und die Fähigkeit, Kunst selbst zu sehen.
Angeli Janhsen Knihy




Minimal Art, Aktions- oder Konzeptkunst funktionieren anders als traditionelle Kunst. Daher sind sie mit den Methoden, die man anhand der älteren Kunst erlernt hat, nicht ohne weiteres zu verstehen und zu beschreiben. Angeli Janhsen stellt die Besonderheiten der neuen Kunst ab ca. 1800 vor und zeigt, wie heute überhaupt gut über sie geschrieben werden kann. Mit praxisnahen Überlegungen hilft der Ratgeber dabei, Schreibschwierigkeiten anzunehmen und eigene Ziele zu benennen – egal ob es um das Verfassen einer Hausarbeit, eines Referats, eines Katalogtextes oder einer Ausstellungsbesprechung geht. So werden die Leser_innen dazu angeregt, das Unvorhergesehene und Besondere an neuer Kunst zu erkennen und selbst präzise zu beschreiben.
Heutige Kunstausstellungen fokussieren sich häufig auf Themen anstelle von Künstlern oder Stilrichtungen und sprechen die Betrachter individuell an. Angeli Janhsen ermutigt dazu, persönliche Interessen zu erkunden und assoziativ zu denken, um sich in der neuen Kunst zurechtzufinden und eigene Themen für Arbeiten oder Artikel zu entwickeln.
Christian Boltanski und Bill Viola begegnen dem Misstrauen 'Objektivem' gegenüber mit einer Kultur des 'Subjektiven'. Ihre Kunst fordert ihre Betrachter zur Selbstreflexion auf und erwartet von ihnen neue Umgangsweisen. Christian Boltanski deutet die Funktion seiner Kunst, die jeden jeweils zur Selbstreflexion auffordert, mit einem Bild an: 'Ein Künstler ist jemand, der einen Spiegel hält. Jeder, der vorübergeht, kann sich darin sehen.' Zeitgenössische Kunst kann vielen Einzelnen programmatisch jeweils eigene Erfahrungs-möglichkeiten bieten, statt einer Gemeinschaft von Betrachtern eine verbindliche Botschaft zu geben. Angeli Janhsen stellt die neue, jeden jeweils zur Selbstreflexion auffordernde Kunst in ihren historischen Kontext (Romantik, Ende der Ikonographie usw.) und zeigt, dass traditionelle kunstwissenschaftliche Methoden, die einen Sinn und eine Gemeinschaft voraussetzen, dieser Kunst nicht entsprechen können. Wie ein persönlicher und zugleich nicht beliebiger Umgang mit der Kunst aussehen kann, wird an zwei Werkanalysen deutlich: an Boltanskis Installation 'Die toten Schweizer' und an Violas Videoinstallation 'The Stopping Mind'. Angeli Janhsen stellt das Sehen und Denken in Analogien in den Mittelpunkt und macht damit diese Kunst kunstwissenschaftlich fundiert zugänglich.