Wie ist unsere schöne neue Medienwelt entstanden? Wer weiß, dass das Patent des Fernsehens seit 1884 registriert ist, es Sprechautomaten seit 1791 gibt und den Binären Code unserer Computer seit fast 400 Jahren? Medien sind nicht die menschliche Kommunikation, aber sie bestimmen ihre Möglichkeiten und Struktur und damit unsere Kulturgeschichte und Gegenwart. In diesem Band liefern vier Wissenschaftler nicht weniger als den Kulturfahrplan unserer Medientechnikwelt.
Heinz Hiebler Knihy



Die Widerständigkeit des Medialen
Grenzgänge zwischen Aisthetischem und Diskursivem, Analogem und Digitalem
- 488 stránek
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Medien sind unsichtbar, proklamiert die Medienphilosophie, und stellt damit Gegenstand und Sinn der Medienwissenschaften in Frage. Scheitert das Projekt der Beobachtung und Beschreibung von Kultur, Medien und Realität an der grundsätzlichen Unübersetzbarkeit sinnlicher Erfahrung und bedeutet das nicht das Ende jeder wissenschaftlichen Medienanalyse oder Medienkritik? Der vorliegende Band sucht einen Ausweg aus diesem Dilemma und bringt die theoretischen Bedenken der Medienphilosophie mit den praktischen Anforderungen medienwissenschaftlicher Analyse und Interpretation in einen für beide Seiten fruchtbaren Dialog. Medien werden nicht als unsichtbar oder unhörbar, wohl aber in vielerlei Hinsicht als widerständig begriffen. Auf der Basis medien- und kulturhistorischer, medienästhetischer, methodischer und epistemologischer Differenzen werden Passagen zwischen Aisthetischem und Diskursivem, Analogem und Digitalem gesucht und in medienkulturwissenschaftliche Zusammenhänge gestellt, in denen sich Theorie und Praxis, Geschichte und Gegenwart gegenseitig erhellen.
Der Autor entwickelt ein Modell der Literaturwissenschaft als angewandte Medienkulturwissenschaft, basierend auf fortgeschrittenen Ansätzen der Mediengeschichtsschreibung und medienorientierten Literaturtheorie. Anhand von Hugo von Hofmannsthal wird in einer exemplarischen Fallstudie die komplexe Verbindung zwischen der apparatzentrierten Technik- und Funktionsgeschichte der Medien und den symbolischen Formen der literarischen Moderne aufgezeigt. Im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit sowie analoger und digitaler Kommunikation wird Hofmannsthals Körperästhetik auf ihre medienkulturhistorischen Kontexte hin untersucht. Seine poet(o-log)ischen Weltentwürfe – von den frühen ästhetizistischen Konzepten eines „Lebens zwischen Buchdeckeln“ bis zu seinen finanziellen Aspekten und kulturpolitischen Ambitionen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren – werden mit den Kommunikationsstrukturen der österreichisch-ungarischen Monarchie und der zeitgenössischen Entwicklung der analogen Medien verknüpft. Eine erstmals auf der Grundlage des erhaltenen Wort-, Bild- und Tonmaterials erstellte Bestandsaufnahme der konkreten Beziehungen Hofmannsthals zu verschiedenen Medien wie (Hand)Schrift, Buchdruck, Fotografie, Telefon, Phonograph/Grammophon, Film und Hörfunk macht den abstrakten Begriff des medienästhetischen Ausdifferenzierungsprozesses der Moderne zu einem sinnlich nachvollziehbaren Erlebnis.