Eine nachholende Debatte
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1996 hatte Ulrich Johannes Schneider im Auftrag der UNESCO einen Bericht zur Lage der deutschsprachigen Universitätsphilosophie verfaßt. Ein Auszug daraus war in der Deutschen Zeitschrift für Philosophie unter dem Titel „Situation der Philosophie, Kultur der Philosophen. Über die neudeutsche Universitätsphilosophie“ abgedruckt worden. Darin ging es um die Modalitäten der Abwicklung der ostdeutschen Philosophie und die inhaltliche Fundierung dieses Vorgangs. Schneider - zwar in Leipzig lehrend, doch in tribalistischer Perspektive westdeutsch einzuordnen - kritisierte, daß die deutsche Universitätsphilosophie „aus einer Selbstverständlichkeit in die andere. geraten (scheint), ohne daß eine nicht bloß lokale Diskussion darüber stattgefunden hätte.“ Daß die „Veränderung von den Philosophieprofessoren schweigend akzeptiert wurde“, erweise „sie alle, in Ost und West, als gute Staatsbürger und disziplinierte Wissenschaftler, zu deren Wissenschaft es offenbar nicht mehr gehört, Probleme einer zwar friedlichen, aber radikalen Revolution aller Verhältnisse, gedanklich und im Hinblick auf das eigene Tun zu begleiten.“ Diese Publikation löste eine heftige Debatte über den Umbau der Philosophie in Ostdeutschland in den Jahren nach 1989 und über die Geschichte der DDR-Philosophie aus. Eine Disziplin, der gemeinhin eine besondere Neigung zum Nachdenken über sich selbst nachgesagt wird, veranstaltete nun, nachdem alles bereits gelaufen war, eine nachholende Debatte. Diese verspätete Diskussion hatte freilich auch Vorteile. Die Betrachtung konnte von den Ergebnissen her geschehen. Da die DDR-Philosophie final deaktiviert war, durfte die Umbaufolgenanalyse auf prozessuale Rücksichtnahmen verzichten: Ein „Augias-Stall“ war „auszumisten“, schätzte der aus Westdeutschland nach Jena berufene K.-M. Kodalle ein. Der Ostdeutsche H.-U. Wöhler, TU Dresden, informierte in der gleichen Zeitschriftennummer über die „Ahnungslosigkeit“ von Leuten, die „die getane Arbeit mit dem Ausmisten eines Augiasstalles verglichen“. Die Debatte endete Anfang 1998, also nach zwei Jahren, infolge Ermattung ihrer Protagonisten, die sich zum großen Teil mehrfach zu Wort gemeldet hatten. Der Band dokumentiert die an verschiedensten Orten (Fachzeitschriften, Feuilleton der Tages- und Wochenpresse, Rundfunk) veröffentlichten Wortmeldungen von Ulrich Johannes Schneider, Rüdiger Zill, Guntolf Herzberg, Wilhelm Schmid, Klaus-M. Kodalle, Hans-Ulrich Wöhler, Wolfgang Bialas, Klaus-Dieter Eichler, Mark Siemons, Thomas Heinrichs & Heike Weinbach, Udo Marquardt und Peer Pasternack, desweiteren zwei zuvor unveröffentlichte Beitrag von Reinhart Maurer und Suetsugu Toshiyasu. Abgeschlossen wird der Band durch eine von Peer Pasternack zusammengestellte 35seitige Bibliographie zu „Philosophie & Philosophen in der DDR. Philosophie in Ostdeutschland nach 1989“: Sie erfaßt und annotiert selbständige Publikationen (Monographien, Sammelbände) und verzeichnet Zeitschriften-/Sammelband-Artikel, die zwischen 1990 und 1998 zum Thema erschienen waren.