Rasse, Elite, Pathos
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Dieses Buch macht die in der wissenschaftlichen und populären Literatur vielfach zitierte, in ihren Einzelheiten jedoch bisher unbekannte „zytoarchitektonische“ Untersuchung des Gehirns des 1924 verstorbenen Gründers und ersten Staatsführers des sowjetrussischen Imperiums, Wladimir Iljitsch Lenin, zum Gegenstand einer historischen Analyse. Die Untersuchung des Gehirns von Lenin ist mit ihrem bizarren Anspruch, in einer gegebenen weltgeschichtlichen Situation zu politischen Zwecken das materielle Substrat der Genialität einer historischen Persönlichkeit nachweisen zu wollen, ein medizinhistorisch einmaliger Vorgang gewesen. Eben diese Aufgabe übertrug die sowjetische Regierung seinerzeit nicht einem russischen, sondern einem deutschen Hirnforscher, dem Direktor des Neurobiologischen Laboratoriums der Berliner Universität, Oskar Vogt. Im Hintergrund des 1925 in Moskau und Berlin vertraglich fixierten Auftrages standen Auseinandersetzungen um die Nachfolge im Amt des Vorsitzenden der Russischen Kommunistischen Partei (Bolschewiki), die Lenin in der Initialphase seiner Krankheit im Winter 1922/23 in einem als politisches Testament verstandenen „Brief an den Parteitag“, dabei die Ambitionen seines designierten Nachfolgers Josif W. Stalin spürbar dämpfend, weit vorausschauend geregelt hatte. Erstmals kann dieses Ereignis nun unter Berücksichtigung seiner politischen Rahmenbedingungen anhand zahlreicher Dokumente aus deutschen und russischen Archiven sowie zeitgenössischen Berichten in der damaligen sowjetischen und deutschen Tages- und Fachpresse authentisch rekonstruiert werden. Neben einer kritischen Bewertung der erkenntnistheoretischen und medizinischen Voraussetzungen des Vogtschen Unternehmens fokussiert der Autor seine Analyse auf die Beziehungen zwischen Medizin und Politik, die in den deutsch-sowjetischen Beziehungen der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine so exponierte Rolle gespielt haben. Die Quellenedition vereint bisher unveröffentlichte und weitgehend unbekannte Archiv-Dokumente und ist damit bestens geeignet, interessierte Forscher zu weitergehenden Arbeiten anzuregen. Das Buch wendet sich vor allem an Historiker, Wissenschafts- und Medizinhistoriker, Osteuropaforscher und Politikwissenschaftler sowie gleichermaßen an Neurologen, Psychiater und speziell an Vertreter der Hirnforschung. Eine allgemein verständliche Darstellung und zahlreiche zeitgenössische Illustrationen ermöglichen es darüber hinaus jedem interessierten Leser, sich ein zutreffendes Bild von den historischen Ereignissen zu verschaffen. Zum Autor: Jochen Richter, geboren 1934 in Spremberg L., ist Wissenschafts- und Medizinhistoriker. Er studierte Philosophie und Biologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte 1977 zum Dr. phil. Bis 1990 als Mitarbeiter im Bereich Wissenschaftsgeschichte an der Akademie der Wissenschaften der DDR, seitdem freischaffend, wissenschaftlich forschend tätig. Veröffentlichungen zur Biographik und Institutionengeschichte der Neuroanatomie und Neurophysiologie sowie zur Geschichte der deutsch-sowjetischen Wissenschafts- und Medizinbeziehungen.