Vorbild Deutschland
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Wohin soll man schauen, wenn man ganz oben angekommen ist? Nach unten, empfiehlt Wolfgang Schäuble. Der kurzzeitige CDU-Vorsitzende und altgediente Chef-Verzichtsideologe präsentiert uns eine deprimierende Diagnose: „Für die geleistete Arbeit leisten wir uns mehr Wohlstand als unsere Konkurrenten. Das wird auf Dauer nicht ohne weiteres gut gehen können.“ Die fetten Jahre, ein für alle Mal vorbei, wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr, denn von nun an geht's bergab. Und da wir den Abstieg nicht verhindern können, sollten wir uns schon einmal auf den Weg machen, so freudig und freiwillig wie möglich: „Natürlich findet niemand Freude am Verzicht. Hat sich aber erst einmal herumgesprochen, dass es keinen bequemen Weg gibt, so sind die Menschen durchaus zur Einschränkung, zum Maßhalten bereit.“ Wohin soll man schauen, wenn man ganz oben angekommen ist? Nach vorne, empfiehlt Oliver Kahn. So ähnlich wie Schäuble die Lage der deutschen Wirtschaft schildert Oliver Kahn im Sommer 2002 seine eigene Lage, die des besten Torhüters der Welt: „Ich bin in einer Situation, in der man seine Position nur verteidigen kann, oder man fällt.“ Aber im genauen Gegensatz zu Schäubleschen Verzichtsappellen dampft Kahn mit voller Kraft voraus: „Erfolge immer wieder zu wiederholen, zu bestätigen, das ist die große Herausforderung.“ All denen, die an seinem Denkmal rütteln, will er immer wieder zeigen, wer der Beste ist. Damit setzt Oliver Kahn sich selbst unter Druck - aber genau das braucht er, um sein Maximum an Leistung zu bringen: „Wenn ich meine, ich könnte gar nicht mehr spielen, weil alles auf mir lastet, weiß ich genau: Jetzt bin ich am besten. Da kommt etwas, was die letzten paar Prozente frei macht.“ Gibt es einen Politiker, der mit wenigstens annähernd vergleichbarer Leidenschaft den Spitzenplatz der deutschen Wirtschaft verteidigt? Leider nein. Dann vielleicht einen Ökonomen? Auch nicht. Dann wenigstens einen Verbandsfunktionär? Aber nicht doch! Und nicht einmal unter den Journalisten ist jemand zu finden, der auch nur ansatzweise Kahn'sches Format aufweist. Der Erste und bisher Einzige, den man in diese Kategorie einordnen kann, war Ludwig Erhard - weswegen jedes Kapitel dieses Buches mit einem Zitat aus Erhards Wohlstand für alle eingeleitet wird. Die große Koalition der Nach-unten-Gucker hat hingegen keine Nachwuchsprobleme. Sogar die schillerndsten Modernisierer spazieren lieber durchs Jammertal, als Deutschland einig Vaterland der Zukunft zuzuwenden. So wie Bodo „Neue Mitte“ Hombach. Von diesem SPD-Chefideologen der späten 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts stammt der Begriff der Vier-Augen-Gesellschaft: Unter vier Augen geschehe es schon mal, dass man „sich stöhnend die Wahrheit sagt“ über den jämmerlichen Zustand des Landes und seiner Institutionen, in der Öffentlichkeit hingegen finde etwas ganz anderes statt, nämlich eine Debatte, „in der verschlüsselt geredet wird, halbe Wahrheiten dominieren und Illusionen ungestraft verbreitet werden können.“