Todestanz
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Erst stirbt der Vater, dann die Mutter, manchmal umgekehrt. Was wird aus den Kindern? Bruder und Schwägerin nehmen sich ihrer an oder Schwager und Schwester. So ist das seit jeher üblich. Aber das tödliche Viruskarussell dreht sich weiter. Schließlich bleibt der Familie nur noch eine Oma. 16,18,20 oder noch mehr Enkel hängen an ihrem Rockzipfel. Bei nahezu der Hälfte aller Haushalte mit Waisenkindern in Uganda ist das der Fall. Eine Großmutter mit 32 Enkelkindern empfiehlt uns der Direktor des staatlichen Aidsprogramms für einen Besuch. Irgendwo draußen auf dem Land in einem Bananenhain soll sie leben, nicht weit von der Hauptstadt entfernt. Erstaunlich daran ist nicht, wie beiläufig er die Anzahl der Enkelkinder nennt. Bemerkenswert scheint hingegen, wie unbefangen er zugibt, daß Uganda mit seinem Latein am Ende ist, was die Aidswaisenkinder betrifft, auch wenn die amtlich geschätzte Zahl vermutlich übertrieben ist. „Zwei Millionen Waisen haben wir bereits“, lamentiert der Direktor, „und es werden immer mehr.“ Dann, mit einer Geste, die schon eher Verzweiflung als bloße Hilflosigkeit ausdrückt: „Wir wissen nicht, was wir machen sollen.“ Eine Woche lang suchen wir vergeblich nach der uns genannten Großmutter. Es stellt sich heraus, die alte Dame mit den 32 Enkeln ist schon vor zwei Jahren gestorben. Es hat sich nur noch nicht herumgesprochen. Die Kinder wurden von anderen Familien aufgenommen. Es bedarf jedoch nicht der Befragung mit der Vorzeigeoma. Die Suche nach ihr in Dörfern und Bambushütten offenbart eine ungeschminkte Situation, die in Europa mehr Beachtung verdient. Der Staat, der seine Bürger vor den Folgen der Aidsepidemie nicht schützen kann, wird durch private Organisationen aus dem In- und Ausland unterstützt. Beispiellose Hilfsmaßnahmen kommen so auch den Großmüttern und ihren zahllosen Enkelkindern zugute. Ohne diese Hilfe würden viele nicht überleben. Den NGOs, den Nichtregierungsorganisationen, verdanken es Uganda und andere afrikanische Staaten, daß die menschliche Tragödie nicht zur unkontrollierbaren Katastrophe wird. Die NGOs könnten damit Propaganda machen. Wahrscheinlich halten sie sich in dieser Hinsicht zurück, weil sie im Interesse einer guten Zusammenarbeit dem Staat gegenüber nicht als Konkurrenten auftreten wollen. Im Konkurrenzkampf mit der staatlichen Autorität würden sie unterliegen. Sie mischen sich nicht ein, wenn etwa der Präsident Ugandas seine Wiederwahl als Sieg der Demokratie feiert, obwohl es nur ihn als Kandidaten gibt. Der Präsident läßt sie dafür in Ruhe ihre Arbeit tun, er fördert sie sogar. Ein Dachverband der Privaten, vom Staat unterstützt, verschafft der Regierung von Uganda zwar eine gewisse Übersicht, aber keine Kontrolle.
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