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Die "literarische Persönlichkeit" von Anna Achmatova

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Das Verhältnis zwischen Autor und Text gehört zu den immer wiederkehrenden Fragen der Literaturwissenschaft. Trotz der Ankündigung vom „Tod des Autors“ (R. Barthes), bzw. seiner Ernennung zu einer diskursiven Grösse (Foucault) ist die Debatte um den Autor und seine Beziehung zu Text nicht verstummt. In der Russistik lebte sie insbesondere in den neueren Forschungen zur Moderne (Symbolismus) wieder auf, in denen der Zusammenhang zwischen Kunst und Leben im Zentrum zahlreicher Arbeiten steht (Lachmann, Schahadat). Diese Studien haben aber nicht zu einer grundsätzlichen Veränderung und Erneuerung der Begrifflichkeit geführt. Die traditionelle Aufspaltung des Autors in eine biographische und textinterne Instanz reicht nicht aus, um die Ästhetik der Modeme zufriedenstellend zu beschreiben. In diesem Buch wird als eine Alternative der von der russischen „Formalen Schule“ geprägte Begriff der „literarischen Persönlichkeit“ (Tynjanov) vorgeschlagen. Obwohl er schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand und bisher nur wenig rezipiert wurde, enthält er Ansätze, die ihn für die moderne Diskussion attraktiv machen können. Er erlaubt, die Verhältnisse zwischen den einzelnen Textinstanzen neu zu definieren, aussertextuelle Elemente, darunter auch den empirischen Autor, in die Textanalyse einzubeziehen und auf diese Weise der poststrukturalistischen Apersönlichkeit zu entgehen, ohne in den Verdacht des Intentionalismus zu geraten. Die Beziehungen zwischen der Person des Autors, seiner „literarischen Persönlichkeit“ und seinem Text lassen sich sehr gut am Beispiel des Schaffens von Anna Achmatova veranschaulichen. In die russische Kultur des 20. Jahrhunderts ist sie nicht nur als eine hervorragende Dichterin sondern vor allem als ein kulturelles Phänomen eingegangen. Das Schaffen und Leben Achmatovas bilden eine signifikante Symbiose - in ihrem verborgenem Wechselspiel taten sich Sinninhalte auf, die repräsentativ für die ganze Generation waren. Ihre „literarische Persönlichkeit“ gibt diesen Spannungen eine Ausdrucksform. Sie wird von der Dichterin als eine Vermittlerin zwischen ihrer biographischen Person und der Geschichte eingesetzt. Sie wird zu einem idealen Spiegel, der dem Ich der Dichterin und ihrer ganzen Generation vorgehalten wird. In der vorliegenden Arbeit wird sie als eine Textinstanz im Schaffen Anna Achmatovas beschrieben. Die Modellierung der sich aus verschiedenartigen Elementen zusammensetzenden „literarischen Persönlichkeit“ wird dabei - in Abgrenzung von der symbolistischen Praxis des „Mifotvorčestvo“ - als "kul'turotvorčeskij" (kulturbildender) Prozess betrachtet, in dem nicht nur die sprachlichen und literarischen Mittel als entscheidende Elemente untersucht, sondern auch die kontextuellen Bezüge zur Geschichte und zum Stil der Epoche hergestellt werden.

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2003

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