Die Schleife an Stalins Bart
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Die Geschichte einer gestohlenen Jugend und einer Befreiung aus den Mauern des Schweigens. „Ich hatte immer das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen“, sagte Erika Riemann in einem 1991 in der Frankfurter Rundschau erschienenen Porträt. Erst heute hat sie die Sprache gefunden, um über ihre Erlebnisse zu berichten. Sommer 1945 im thüringischen Mühlhausen: Erika Riemann ist vierzehn Jahre alt, als sie eines Tages mit ein paar anderen Jugendlichen ihre gerade wieder hergerichtete Schule besichtigt. Ihr Blick fällt auf ein Stalin-Bild genau an jener Stelle, an der bis vor kurzem ein Hitler-Porträt hing. „Mit dem Spruch ‚Du siehst ja ziemlich traurig aus‘“, schreibt sie, „trat ich an das Bild heran und malte mit dem Lippenstift eine kecke Schleife um den Schnauzbart.“ Jemand muss sie verpfiffen haben, denn schon kurze Zeit später beginnt für Erika Riemann eine achtjährige Odyssee durch ostdeutsche Zuchthäuser und Lager mit Stationen wie Bautzen, Sachsenhausen und Hoheneck. Was es für sie bedeutete, eine ganze Jugend hinter Mauern zu verbringen, Prügel, Schikane, Hunger und Depression durchzustehen und nach der Entlassung zutiefst traumatisiert im bundesdeutschen Wirtschaftswunder ihre Frau zu stehen - darüber kann sie erst heute, fünfzig Jahre später, berichten. Fünfzig Jahre hat sie gebraucht, um ihre Nachkriegsjahre zu verarbeiten. Ein erschütternder Lebensbericht aus der jüngsten deutschen Vergangenheit.
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