Diese merkwürdige Zeit
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Am 30. Juni 1945 erhielt Erich Kästner, der die letzten Kriegswochen im österreichischen Mayrhofen überstanden hatte, Besuch von einem früheren Bekannten. Peter de Mendelssohn, Ullstein-Journalist und Schriftsteller, jetzt in britischer Offiziersuniform, fragte ihn, ob er an einer geplanten Zeitung mitarbeiten wolle. Kästner zog nach München um und trat seine neue Stelle als Feuilletonchef der „Neuen Zeitung" an. Auf dem Gelände jener Druckerei in der Schellingstraße 39, in der vormals der „Völkische Beobachter“, das Zentralorgan der Nationalsozialisten, erschienen war, verwirklichte die amerikanische Besatzungsmacht ein ehrgeiziges Projekt. Unter eigener Regie initiierten sie eine unabhängige Tageszeitung, für deren Feuilleton vorwiegend deutsche Journalisten verantwortlich waren. Daraus wurde die „Neue Zeitung“, die bedeutendste deutsche Nachkriegszeitung überhaupt. Kästner hielt mit der ihm eigenen Ironie fest, es sei zugegangen „wie bei der Erschaffung der Welt“. Bereits am 18. Oktober 1945 erschien in München die erste Nummer der „Neuen Zeitung“ - und sie schlug ein. Alfred Andersch, Bertolt Brecht, Günter Eich, Max Frisch, Hildegard Hamm-Brücher, Her-mann Hesse, Stefan Heym, Karl Jaspers, Erich Kästner, Eugen Kogon, Friedrich Luft, Heinrich und Thomas Mann, Anna Seghers, Franz Werfel, Carl Zuckmayer und viele andere zählten zu dem einmalig prominenten Autorenkreis. In der deutschen Bevölkerung wurde die Zeitung mit Leidenschaft ange-nommen. Die Auflage der „Neuen Zeitung“ betrug zeitweilig bis zu zweieinhalb Millionen Exemplaren täglich. Wilfried F. Schoeller hat 60 Jahre nach Kriegsende einen Schatz gehoben und kommentiert, der bislang weitgehend unbeachtet und verborgen geblieben war. „Diese merkwürdige Zeit“ erzählt die Geschichte eines historisch radikalen Neubeginns direkter und authentischer als jede geschichtliche Abhandlung.