Im Paragrafenrausch
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Dieses längst überfällige Buch verdeutlicht zweierlei: zum einen den Übereifer des Gesetzgebers und zum anderen den Ruf des Bürgers nach Gesetzen. Bei fast jedem Reformvorhaben wird Deregulierung versprochen, doch jede Reform ist mit einem Wust neuer Gesetze, Vorschriften und Regeln verbunden. Die Menge der zu verabschiedenden Gesetze bringt es mit sich, dass sich in zunehmendem Maß „handwerkliche“ Fehler einschleichen. Dieses Buch bleibt nicht bei einer Beschreibung des beklagenswerten Zustandes stehen (Teil 1 „Der Befund“), sondern versucht die Gründe aufzuzeigen und Voraussetzungen zu nennen, die einer Gesetzesflut Einhalt bieten können. Wieland Kurzka blickt auf eine langjährige juristische Erfahrung zurück. Verbunden mit einer philosophischen Ausbildung und geprägt von dem schwedischen Rechtshistoriker Sten Gagnér, spannt der Autor den äußerst interessanten Bogen von der Gegenwart bis in das 6. vorchristliche Jahrhundert (Teil 2 „Die Wurzeln“): Warum verstummte der Ruf nach dem Gesetz weder bei der Politik noch bei den Bürgern? Diese Fixierung auf den Steuerungswunsch durch Gesetze kommt nicht von ungefähr, sondern wurzelt in einer geistesgeschichtlichen Tradition, die in das frühe Mittelalter, teilweise sogar in die Antike zurückreicht. Im Mittelalter kam es zu einem Theoriewechsel von einer fatalistischen hin zu einer aktiven, interventionsorientierten Sicht der Rechtsordnung. Aktionismus, Individualismus sowie der Siegeszug des technisch-naturwissenschaftlichen Denkens haben diesen Trend verstärkt. In konjunkturellen Wellen, beginnend von der päpstlichen Dekretalengesetzgebung des Mittelalters bis zur Terrorismusgesetzgebung unserer Tage, hat sich der Gedanke der Steuerung durch Gesetze verwirklicht. In jüngster Zeit haben die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für den Gesetzgeber (insbesondere durch die so genannte Wesentlichkeitstheorie) für eine Intensivierung der Paragrafenproduktion gesorgt. Einen Ausweg aus der Überregulierung bietet eine neue „Bescheidenheit“, wie sie sich insbesondere in einer Rücknahme der Staatsaufgaben, einem Verzicht auf eine übersteigerte Detailgerechtigkeit, einer Berücksichtigung der Ergebnisse der Systemtheorie und einer Besinnung auf das Subsidiaritätsprinzip ausdrückt. Vermeintliche Königswege mit mechanistischen Ansätzen, wie der Einführung einer Normprüfstelle oder der Befristung von Gesetzen, bringen keine Lösung. Unabdingbar – wegen des Zusammenhangs zwischen dem gestiegenen Regelungsbedarf und dem Verschwinden verpflichtender Wertvorstellungen – ist eine aktive Rückbesinnung insbesondere auf die positiven Werte der Verfassung und der christlichen Tradition. Der Autor versteht es die Zusammenhänge nicht nur spannend, sondern auch gut formuliert und auch für Nichtjuristen verständlich darzustellen. Dem Leser werden die Augen für einen zentralen und wichtigen Bereich unserer Lebenswirklichkeit geöffnet.