Hoheitliches Handeln als Verstoß gegen EU-Kartellrecht
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Das Kartellverbot des Artikels 81 EG Vertrag richtet sich an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. Verstöße gegen diese Norm werden von den Wettbewerbsbehörden normalerweise untersagt. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann kartellverbotswidriges Verhalten der Unternehmen jedoch nicht sanktioniert werden, wenn es ihnen von einem Mitgliedstaat aufgegeben wird. Kartellverbotswidriges Verhalten ist den Hoheitsträgern nicht unmittelbar durch Artikel 81 EG Vertrag verboten. Diese Konstellation gibt Unternehmen und Mitgliedstaat vielfältige Möglichkeiten das Kartellverbot zu umgehen. Um dessen „praktische Wirksamkeit“ zu schützen, wendet der EuGH Artikel 3 Absatz 1 lit. g), 10 Absatz 2, 81 EG Vertrag mittelbar auf die Mitgliedstaaten an. Diese Rechtsprechung ist für das Wirtschaftsrecht von wachsender Bedeutung. Beispielhaft sind die Rechtmäßigkeit des Standesrechts der freien Berufe oder Tarife im Verkehrsbereich zu nennen. Die Wettbewerbsbehörden werden in Zukunft zunehmend mit der Durchsetzung des Verbotes hoheitlicher Handlungen am europäischen Kartellverbot beschäftigt sein. Deshalb muss sich der EuGH die Frage gefallen lassen, ob es ihm gelungen ist, mit seinem Kriterienkatalog von verbotenen staatlichen Handlungen die „praktische Wirksamkeit“ des Kartellverbots zu schützen. Die Antwort erfordert neben einer Untersuchung des rechtlichen Rahmens eine Analyse der Wirkungsweise des Kartellverbots. Dies dient dem Schutz des Wettbewerbs. Dessen Bedeutung für die Ziele des EG Vertrages, wie Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlstand und fortschreitende Integration muss mit den Wirkungen der hoheitlichen Handlung verglichen werden. Dieser Vergleich macht deutlich, ob der Staat die praktische Wirkung des Kartellverbots beeinträchtigt oder nicht. Wirtschaftliche Prozesse, wie z. B. Marktunvollkommenheiten können bei einer gegen das Kartellverbot gerichteten Maßnahme des Mitgliedstaates sogar zu positiven Effekten führen, die die Gemeinschaft mangels Kompetenz nicht bewirken kann. Um die Stärken der Wirtschaft bei der Umsetzung dieser Effekte zu nutzen, kann es sinnvoll sein, Unternehmen anstelle von Bürokraten und Politikern entscheiden zu lassen. Denn es zeigt sich, dass letztere häufig anderen Interessen verpflichtet sind als dem Gemeinwohl, jedoch weniger Sachkompetenz besitzen als Unternehmer. Tobias Haßel macht deutlich, wo die konzeptionellen und wirtschaftlichen Schwachpunkte der EuGH Rechtsprechung liegen und zeigt Lösungsvorschläge auf, um die normative Steuerung der Europäischen Gemeinschaft zu verbessern.