Die Rechtsprechung der deutschen Feldkriegsgerichte bei Straftaten von Wehrmachtssoldaten gegen Angehörige der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten
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Seit Kriegsende ist die Bewertung der Deutschen Militärgerichtsbarkeit im Zweiten Weltkrieg ein leidenschaftlich umstrittenes Thema. Die vorliegende Studie untersucht, ob und wie die deutschen Militärgerichte bei Straftaten deutscher Soldaten zum Schutze der gegnerischen Zivilbevölkerung tätig wurden. Der Auswertung von 523 Kriegsgerichtsakten wird eine Einführung in die Grundlagen des Militärstrafrechts und in den Aufbau der Gerichts- und Verwaltungsstrukturen vorangestellt. Hierbei schildert der Autor viele Kriegsgerichtsfälle, um einen möglichst plastischen Eindruck von der Tätigkeit dieser Gerichte zu vermitteln. Er kommt zu dem Ergebnis, dass man in den besetzten Gebieten des Westens anfänglich um ein besonders korrektes Auftreten der Truppe bemüht war. Mit zunehmender Radikalisierung des Krieges ging dort die kriegsgerichtliche Verfolgung kleiner und mittlerer Delikte zugunsten des Disziplinarstrafrechts zurück. In der Sowjetunion war das Legalitätsprinzip durch Hitlers "„Barbarossa-Erlass“" von vornherein ausgeschaltet. Dennoch wurden auch dort individuelle Ausschreitungen von gewisser Erheblichkeit grundsätzlich verfolgt. Die schädlichen Folgen der Tat auf das Ansehen der Wehrmacht war dabei einer der gewichtigsten Gesichtspunkte bei der Strafzumessung. Zahlreiche Gerichte bezogen sich auch auf vorangegangene Belehrungen durch militärische Stellen, dass Notzuchtstaten und Plünderungen schwere Strafen bis hin zur Todesstrafe nach sich ziehen würden. Fälle wie etwa die geschilderte gerichtliche Ahndung einer Plünderung eines kleinen Blocks Butter bei einer polnischen Bäuerin kurz vor Kriegsende waren demnach also zwar nicht die Regel, gehören allerdings keineswegs in den Bereich der Mythenbildung. Von der insgesamt positiven qualitativen Grundlinie wichen etwa 10 % der untersuchten Fälle ab, in denen sich chauvinistische, rassistische oder antisemitische Formulierungen oder zweifelhafte Rechtsanwendungen vorfanden. Eine differenzierte Betrachtung dieser Thematik ist demnach geboten.