Ästhetik des Verlusts
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Zu keinem der Lyriker des expressionistischen Jahrzehnts außer Gottfried Benn gibt es so viel Literatur wie zu Georg Trakl (1887-1914). Doch vieles davon bleibt unterhalb literaturwissenschaftlicher Minimalstandards. Es ist ideologischen und methodologischen Aktualitäten der jeweiligen Gegenwart stärker verpflichtet als den behandelten Gedichten. Diese sind oft lediglich Demonstrationsobjekte für vorab formulierte Thesen über Autor und Werk. Die Vorwegfixierungen reichen von Reklamationen Trakls für religiöse Botschaften bis zu der Behauptung, es handle sich um das Werk eines Schizophrenen. Als Dokumentationsbasis zu Thesen zur Biographie des Autors sind die Gedichte ebenso genutzt worden wie als Material für psychoanalytische Analysen. Nur selten sind sie als Textzusammenhänge untersucht worden, die als solche Interesse verdienen. Entsprechend gering ist die Zahl von Versuchen, Trakls Lyrik denk- und literaturgeschichtlich zu situieren. Diese Arbeit unternimmt es erstmals, Trakls Gedicht-Korpus anhand einer größeren Zahl sorgfältiger Interpretationen zu erschließen, ohne daß ein vorgegebenes Bild von Autor und Werk strukturierend wirksam ist. Exegetisches Instrumentarium sind konsequente deskriptive Erfassung sprachlicher, syntaktischer und sinnbildlicher Phänomene sowie korpusinterne und -externe Relationierungs- und Vergleichsarbeit. Die einläßliche Behandlung von 17 über Trakls Schaffenszeit verteilten Gedichten, die das gesamte lyrische Werk einbezieht, sichert hohe Repräsentanz der Befunde. Der wichtigste ist der Nachweis, daß Trakls Bilderkosmos aus der religiösen Allegorese der frühen Neuzeit resultiert und daß gerade diese seine Herkunft die Intensität der Verlust- und Verlassenheitsthematik der Gedichte ausmacht. Ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit ist ein umfassender Forschungsbericht.