Bürgerliche Emanzipation und staatliche Reaktion
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Der Status der Grundrechte bildet im Verlaufe des „langen 19. Jahrhunderts“ einen Indikator für den Stand der bürgerlichen Emanzipation. Viele bürgerliche Abgeordnete wandten sich in den deutschen Nationalversammlungen 1848/49 in dem Moment von der Freiheit den Grenzen der Freiheit zu, in dem sie vom Subjekt zum Objekt der sich radikalisierenden Revolution wurden. Aber erst die Reaktionspolitik der 1850er Jahre schaffte die Grundrechte entweder ab oder schränkte sie weitgehend ein. Dies galt insbesondere für die Grundrechte, die für die politische Emanzipation des Bürgertums konstitutiv waren. Dazu zählten die Meinungs- und Pressefreiheit, der Gleichheitssatz, die Abschaffung feudaler Privilegien sowie insbesondere die Vereins- und Versammlungsfreiheit, da Assoziationen strukturelle Prototypen der künftigen bürgerlichen Gesellschaftsordnung darstellten. Die preußische Reaktionspolitik ließ sich zur Erhaltung der eigenen Macht auf den Konstitutionalismus ein, hielt sich dabei aber Hintertüren zur späteren sukzessiven Aushöhlung grundrechtlicher Garantien durch die einfachen Gesetze offen. Diesen Prozess untersucht der Verfasser anhand der diesbezüglichen parlamentarischen Beratungen in Preußen und im Deutschen Bund zwischen 1848/49 und 1854. Im Mittelpunkt stehen dabei neben den textlichen Veränderungen und ihren Ursachen insbesondere die Akteure der Grundrechtsentwicklung. Der Verfasser weist u. a. nach, dass die Verfassungs- und Gesetzesänderungen mit veränderten Sozialprofilen der maßgeblichen Parlamentsausschüsse korrespondierten und dass eine gezielte Personalpolitik zu den Säulen der Reaktionspolitik zählte. Flankiert wurde die Reaktionspolitik von der Rechtsprechung des höchsten preußischen Gerichts, des Geheimen Obertribunals zu Berlin. In dessen Rechtsprechung spielten die Grundrechte zwischen 1850 und 1879 eine nur geringe Bedeutung, u. a. weil das Gericht einen Vorrang der Verfassung ablehnte. Nach 1860 verstand das Obertribunal Grundrechte lediglich noch als politisch motivierte Programmsätze ohne eigenes rechtliches Gewicht. Wie trotz der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit in Preußen ein neuer Typus einer politisch beeinflussten Judikatur entstehen konnte, untersucht der Verfasser anhand der Biographien der zwischen 1850 und 1879 amtierenden Obertribunalsräte und weist hierbei vielfältige Vernetzungen von Politik und preußischer Justiz nach.