Rost in Kunst und Alltag des 20. Jahrhunderts
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Rost – Verfall, Schrott oder edle Oberfläche? Jutta Weber zeigt die Bedeutungsvielfalt von Rost an Kunstwerken, Gebäuden und Alltagsgegenständen auf. Die ästhetische Wirkung der wichtigsten Werkstoffe des Industriezeitalters, Eisen und Stahl, wird so neu erfahrbar. Seit den 1970er und verstärkt den 1990er Jahren erobert ausgerechnet Rost, der Indikator für Verfall und Zerstörung, als neue Oberfläche den öffentlichen Raum westlicher Industrienationen. An stillgelegten Industrieanlagen und neuen Gebäuden, wie dem Guggenheim Hermitage Museum von Rem Koolhaas, ebenso an Einrichtungsgegenständen und im Kontext von Naturinszenierungen wird der Korrosionsprozess nunmehr als ästhetisch erwünschtes Material eingesetzt. Zudem fungiert er als Zeuge der Geschichte und als Ausdruck für natürliche Materialveränderung. Diese öffentliche Nobilitierung von Rost wurde in der bildenden Kunst über Jahrzehnte hinweg vorbereitet. Künstler wie Eduardo Chillida, Jean Tinguely, Richard Serra oder Donald Judd erprobten die Wirkung und Semantik rostigen Metalls, die von Arbeiter- und Industrieästhetik über Schrott und Destruktion, Gewalt und Blut, Vergangenheit und Vergänglichkeit bis hin zu Natur und Prozesshaftigkeit reicht. Jutta Weber untersucht die Verwendung und Rezeption von Rost in der Kunst und der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts und geht der sich wandelnden Bedeutung korrodierenden Metalls im Spannungsfeld zunehmender Technisierung nach. In drei Abschnitten arrangiert (Historische Grundlagen; Kunst und Medien; Literatur) finden sich einige höchst aufschlussreiche Beispiele für die Rezenptionsgeschichte der griechischen und römischen, in zwei Fällen auch der altägyptischen Welt. (.) Bemerkungen zu den Autoren/innen und ein Register schließen den äußerst anregenden Band. [Bibliographie zur Symbolik, Ikonographie und Mythologie] Um diese höchst anregende, sorgsam redigierte und tagespolitisch aktuelle Zusammenstellung verschiedener Beiträge der Forschergruppe „Archäologie und Einbildungskraft“ in vollem Umfange ausreichend würdigen zu können, müsste der Rezensent Archäologe, Literatur- und Kunstwissenschaftler sein, am besten noch ausgestattet mit philologischem und philosophischem Hintergrund verschiedener Epochen und Räume. [Orell Witthuhn, Wissenschaftlicher Literaturanzeiger]