Der nahe Fremde: der amerikanische Western in den Kinos der Bundesrepublik Deutschland (1948 - 1960)
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Mit dem verlorenen Krieg brach 1945 in Deutschland ein Männlichkeits- und, mehr noch, ein Identitätsmodell zusammen. Die Niederlage, die sich in den Nachkriegsjahren in der Suche nach neuen Identifikationsformen spiegelte, fand ihren Ausdruck auch in den Kinos der Bundesrepublik. Hier war der amerikanische Western zu sehen; er lief, weil die Amerikaner den Krieg gewonnen hatten. Dieses Genre, das häufig als typisches Beispiel der Amerikanisierung des deutschen Kinos angeführt wird, war jedoch zunächst einer Aneignung der deutschen Zuschauer unterworfen, die einen eigenen Zugang zum Western entwickelten. Einerseits transformierten die deutschen Zuschauer in ihrem Sehen den amerikanischen Western, aber andererseits transformierte auch der Western seine Rezipienten. Der Gang ins Kino und in einen Western in den fünfziger Jahren der Bundesrepublik lässt sich nicht einfach als Eskapismus oder Konsum beschreiben. Vielmehr ermöglichte der Western die Produktion einer populären Mythologie, die die komplexe Widersprüchlichkeit einer Zeit der Modernisierung und Umbrüche abfedern konnte. Das Sehen des Western in den fünfziger Jahren war Flucht in die imaginierte Einfachheit einer Vergangenheit, die heimlich die Bewältigung der Komplexität der neuen Situation einübte. Jonas Wegerers Studie Der nahe FremDe erzählt keine Genregeschichte, sondern die Geschichte von Wahrnehmung und Wirkung des Western in der deutschen Nachkriegsgesellschaft.