Thomas Meier-Castel

Dereinst wurde die Radierung erfunden, um feine, detailgetreue Bilder der Welt in zarten Nuancen wieder zu geben, die Valeurs zu treffen, um Volumen, Rundungen, räumliche Situationen aufs Feinste durch ein drucktechnisches Verfahren umzusetzen. Bestens geeignet ist die Arbeit mit der dünnen Radiernadel in Kupfer- oder Eisenplatte für die Darstellung etwa der veristischen Bilder von Fauna und Flora einer Maria Sibylla Merian. Ausgerechnet durch dieses aufwendige, drucktechnische Verfahren, welches der sorgfältigen Planung und eines schwerfälligen Apparates bedarf, entäußert Thomas Meier-Castel aufs Unmittelbarste das, was wir nicht benennen, nicht fassbar beschreiben und erklären können: LEBEN. Energie, Kraft, Transformation von Energie in Materie und umgekehrt ereignen sich im Werk von Thomas Meier-Castel. So wie das Moment der reproduzierenden Darstellung „auf“ einem Bildträger verschwindet und der Träger, hier die Radierplatte, zum Tatort und Objekt der Gestaltung selbst wird, so wachsen die Dimensionen. Radierungen zu realisieren mit Platten von 2 x 2 m, am Ende der Entwicklung in Addition von Tafeln gar 6 x 5 m, das dreht die Spirale der Entwicklung in diesem Genre weiter. Deshalb, die hohe Qualität der Arbeit vorausgesetzt, werden die Werke von Thomas Meier-Castel in namhaften graphischen Sammlungen aufbewahrt. Thomas Meier-Castel fand den Weg zur freien Gestaltung über Transformationen eines Motivs, wie dereinst schon Mondrian mit seinem berühmt gewordenen Baum. Ein Stuhl mit hoher Rückenlehne war es hier, welcher in einer Arbeitsserie sich sukzessive zur freien Form transformierte. Bis die, rückblickend folgerichtige, Entscheidung fällt, nicht nur auf der Platte zu arbeiten, sondern die Platte selbst zu verändern: shaped plate