Zeitnot
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Das Buch gehört nicht zu der bekannten Art von Diplomaten-Memoiren, auch wenn der Autor sich als Zeitzeuge undMitarbeiter an der Verhandlungsposition der Bundesregierung sowie Gesprächspartner der intellektuellen Vordenker derPerestroika in Moskau auf persönliches, intensives und jahrelanges Erleben stützt. Das Buch ist vielmehr ein Sachbuch, das unter Auswertung der inzwischen erschienen Literatur die sowjetische Politik von 1982 an mit demSchwerpunkt auf den Jahren 1989 und 1990 analysiert, die zur deutschen Einheit im westlichen Verbund, zur Befreiung der Staaten des Warschauer Paktes aus der sowjetischen Hegemonie, zum Ende derSowjetunion und ihres Gesellschaftsmodells und zum Sieg der USA im jahrzehntelangen Kampf um dieweltpolitische Vorherrschaft führte, um sie nicht nur einmal mehr zu beschreiben, sondern auf der Basisder Erkenntnisse eines Insiders zu erklären. Es ist trotz der Fülle der inzwischen vorliegenden Literatur das erste Buch, das erklärt, warumGorbatschow seinerzeit so gehandelt hat, daß es zu diesem weltpolitischen Umbruch kam, von dem dieWiedervereinigung nur ein Teil war. Das Buch ist auch das erste, das herausarbeitet, daß die Entwicklungder Jahre 1985 bis 1991, der Amtszeit Gorbatschows, nicht etwa im zufälligen Zusammentreffen einerReihe von Revolutionen von unten in den Warschauer-Pakt-Staaten bestand, sondern eine von Gorbatschowund seiner Mannschaft gezielt betriebenen Revolution von oben war, die vorbedacht alles im sowjetischenHegemonialbereich erfasste, nicht nur die Sowjetunion selbst, sondern alle Staaten des Warschauer-Paktes. Dadurch wird auch deutlich, dass die Volksbewegung in der DDR nicht primäre Ursache für die Öffnung der DeutschenFrage im Herbst 1989 war, sondern die Folge der Erkenntnis der Menschen in der DDR, daß angesichts der HaltungGorbatschows zu den Entwicklungen zur Demokratie in der Sowjetunion, Polen und Ungarn das Verlangen nach freienWahlen und deutscher Einheit nicht mehr gefährlich sein würde. Dieses Buch ist auch das erste, das zeigt, dass die schrittweise Öffnung der Grenze zuerst in Ungarn, dannin der Tschechoslowakei und dann der Öffnung der Mauer einer gezielten Politik Moskaus folgte, und nichtetwa Folge unzusammenhängender Einzelschritte war. Vielmehr sollte durch diese Politik der Öffnung derGrenze die Bundesrepublik mit einem Angebot zur Wiedervereinigung gegen Neutralisierung konfrontiertwerden, dem sie nicht wie 1952 und 1953 mit diplomatischen Noten ausweichen konnte. Dieses Buch ist auch das erste, das die erbitterten Kämpfe unter konkurrierenden Gruppen im MoskauerMachtgefüge um die Deutschlandpolitik offenlegt, die zunächst hinter den Kulissen, zunehmend dann aberauch öffentlich stattfanden, bis Gorbatschow, der sich seine Entscheidung bis dahin offen gehalten hatte, sich imFrühsommer 1990 gegen die Neutralitätspolitiker um Falin und für die Gruppe um Jakowlew entschied, die dieZusammenarbeit mit den USA zur obersten, außenpolitischen Priorität gemacht hatte. Dieses Buch ist schließlich das erste, das die historischen und intellektuellen Wurzeln von Gorbatschows Politikab der Ära Chrustschows über den Umschwung der Moskauer Weltpolitik unter Andropow bis zum Beginnder Ära Gorbatschow offen legt. Dabei zeigt sich Gorbatschow als Weltpolitiker, für den die Deutschlandpolitik nichtprimär war, sondern Mittel zum Zweck eines weltpolitischen Ausgleichs mit den USA, dem eigentlichen Zweck der bisherkaum verstandenen Zustimmung zur Nato-Mitgliedschaft des Vereinten Deutschland.
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