Lesen mit Lacan
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Es gibt wohl kaum einen zeitgenössischen Psychoanalytiker, der in Lehre und Forschung vielfältiger wirkt als Franz Kaltenbeck. Mit diesem Band wird das Denken Kaltenbecks, der vor allem im französischsprachigen Raum publiziert hat, einem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht. Er umfasst, zum großen Teil in deutscher Erstveröffentlichung, psychoanalytische Beiträge aus den Jahren 1978 bis 1990, z. B. zu Freud, Miller, Poe oder Joyce und vor allem zu bzw. mit Lacan. Kaltenbeck selbst stellt das Konzept seiner hier versammelten Texte wie folgt vor: „Lesen ist mehr als ein Mittel, Wissen aufzunehmen. Es kann eine Übertragung zwischen dem Autor und dem Leser knüpfen. In der Psychoanalyse hat es eine andere Funktion als an der Universität, denn das in der Analyse erworbene Wissen kann nicht herrschen. Der Diskurs des Analytikers setzt das Wissen auf den Prüfstein der Wahrheit. Lacan verdichtete oft ein beträchtliches Wissen nur auf einer Zeile seiner Schriften, zog aus Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse 'einen einzigen Zug' und erhellte mit ihm seinen Begriff der Identifizierung. Ich wollte, dass er mir beim Lesen über die Schulter schaue und mir heimleuchte, dahin, 'wo es war …'. So weit zum Titel. Dieses Buch enthält eine Reihe von Aufsätzen, die ich zum Teil noch während meiner beiden Lehranalysen und meiner Lehrjahre in einer großen psychoanalytischen Schule geschrieben habe. So lässt es sich auch als eine Art Bildungsroman lesen. Ich wollte z. B. wissen, warum Freud in einem Brief an Fliess Wilhelm Jerusalem erwähnt, dessen Einleitung in die Philosophie in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von allen guten Wiener Antiquariaten angeboten wurde, nicht aber seine Urteilsfunction, um die es Freud ging. Auch mehrere von Freuds Schülern hatten großen Einfluss auf mich: so etwa Sándor Ferenczi oder Karl Landauer, ein in Bergen Belsen umgekommener Schülers Freuds. Drei Texte in dem Band geben Zeugnis ab von meinem Engagement hinsichtlich der Fragen Lacans zur Institution der Passe und von meiner Auseinandersetzung mit Jacques-Alain Miller, was Deutung und Forschung in der Psychoanalyse betrifft. Eine Reihe von kritischen Texten beschließt diesen Band. Dabei wird aufgezeigt, dass Joyce bereits im Ulysse Genießen und Sprache verflicht und Stifter im Nachsommer wie kein anderer Melancholiker den Blick zu Ungunsten der Stimme überdimensioniert. Dem Dichter Reinhard Priessnitz unterstelle ich, dass er schon im Jahre 1978 die Entfremdung und Trennung für seine Poesie einzusetzen wusste und doch Lacans Theorie dieser beiden Operationen, die das Subjekt verursachen, noch nicht kannte.“