Widerstand, Anpassung, Pflichterfüllung?
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Zu den Opfern des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 zählten etwa 15.000 Gehörlose - nicht wenige unter ihnen wurden noch während ihrer Schulzeit oder kurz nach ihrer Entlassung zwangssterilisiert. Die Rolle der Taubstummenlehrer bei der Umsetzung des Gesetzes wurde bis in die jüngste Vergangenheit sowohl von Seiten des Berufsverbandes Bund Deutscher Taubstummenlehrer als auch von den damals noch lebenden Pädagogen weitgehend verdrängt. Erst im Zuge von Entschädigungsverfahren für die Opfer begannen seit den 1980er Jahren einzelne Lehrer, die Geschehnisse an den Schulen zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur zu erforschen. Ihr Urteil fiel für die älteste aller heilpädagogischen Disziplinen vernichtend aus: Demnach lieferten „NS-Taubstummenpädagogen“ die ihnen anbefohlenen Schüler den Schergen von Sterilisation und „Euthanasie“ ohne jedweden Druck aus. Weiterhin konnte all dies nur geschehen, weil in der Heilpädagogik lange vor Hitler ein starkes Interesse an eugenischen Fragestellungen vorhanden war, das nicht selten in „geheime Euthanasiewünsche“ gegenüber der eigenen Klientel mündete. Umfangreiches Quellenmaterial dreier Taubstummenanstalten (Schleswig, Langenhorst und Homberg) aus dem Zeitraum bis 1945, das erstmals gesichtet und systematisch ausgewertet werden konnte, ergibt jedoch ein deutlich abweichenderes Bild der Mitarbeit von Lehrern an der Umsetzung des Gesetzes - dies musste zu einer weitgehenden Revision der bisherigen Geschichtsauffassung führen. So spiegelt der Alltag der in den genannten Einrichtungen tätigen Lehrer unzweifelhaft wider, dass die Taubstummenpädagogik die Einbeziehung erblicher Taubheit in das Gesetz als Konfrontation auffassen musste. Ob die Reaktionen der Pädagogen nach Inkrafttreten des Gesetzes 1934 deswegen eher als Widerstand oder aber als Anpassung und als Pflichterfüllung zu beschreiben sind, lässt sich hingegen nicht ohne Fragezeichen beantworten.