Fundamentalanalyse und Börsenkurs als Grundlage richterlicher Schätzung bei der Ermittlung aktienrechtlicher Barabfindungen
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Strukturmaßnahmen im Aktien- und Umwandlungsrecht bieten Mehrheitsaktionären die Möglichkeit, Konzerne zu konsolidieren. Diese Konsolidierungsmaßnahmen gehen zwangsläufig zulasten der Minderheitsaktionäre. Die Beeinträchtigung reicht dabei von einem Ausschluss der Mitverwaltungsrechte (z. B. Vertragskonzernierung) bis hin zum vollständigen Verlust des Anteils (Squeeze-out). Aktien- und Umwandlungsrecht halten deshalb Instrumente des Minderheitenschutzes im finanziellen Bereich bereit. Eines davon ist die Barabfindung. Der ausscheidende Aktionär soll für den Verlust seines Anteilseigentums einen „vollen“ finanziellen Ausgleich bekommen. Was ein „voller“ Ausgleich ist, hat das Bundesverfassungsgericht erstmals im Jahr 1999 in der DAT/Altana-Entscheidung dahingehend präzisiert, dass es mindestens der Verkehrswert des Anteils sein müsse. Bei börsennotierten Unternehmen sei der Verkehrswert regelmäßig identisch mit dem Börsenkurs. Der BGH hat in seiner Umsetzungsentscheidung im Jahr 2001 das sog. Meistbegünstigungsprinzip geschaffen. Danach sollen die ausscheidenden Aktionäre immer den höheren Wert aus aus Börsenkurs und im Wege der Unternehmensbewertung ermitteltem Wert erhalten. Teilweise in der juristischen Literatur und zunehmend auch in der Rechtsprechung verschiedener Obergerichte wurde dieses Meistbegünstigungsprinzip in Frage gestellt. Der Autor zeichnet diese Zweifel in fundierter Art und Weise nach. Neben Einwänden rechtlicher Natur greift er dabei auf einen Fundus betriebswirtschaftlicher Argumentationsmuster zurück. Der Autor zeigt mögliche Kriterien auf, bei deren Vorliegen eine alleinige Orientierung am Börsenkurs in der Regel angebracht sein wird. Er versetzt sich dafür in die Perspektive des Spruchrichters, der in streitigen Abfindungsverfahren regelmäßig das letzte Wort im Hinblick auf die Höhe von Abfindungen hat. Rechtstechnischer Anknüpfungspunkt ist das zivilprozessuale Institut des richterlichen Schätzungsermessens nach § 287 Abs. 2 ZPO. Der Richter muss nicht in jedem Fall die volle Wahrheit ermitteln. Gestaltet sich die Ermittlung als besonders schwierig oder kompliziert, so genügen auch hinreichende Anhaltspunkte, um eine Entscheidung zu treffen. Der Autor macht auf dieser Grundlage Vorschläge, was typischerweise solche „hinreichenden Anhaltspunkte“ für die Maßgeblichkeit des Börsenkurses sein können. Liegen sie vor, so kann der Spruchrichter auf die Einholung von umfangreichen Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Unternehmenswerts verzichten. Minderheitsaktionäre kämen so schneller und einfacher zu ihrem Recht.