Trennung und Abschied
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In der Vereinseitigung des Festhaltens können Haben und Bleiben sich in ihr Gegenteil verkehren: Kleine innere Abschiede gehen dem Trennungsvorgang voran. Jede Trennungs- und Verlustsituation ist von Ambivalenz geprägt: Zwischen Sich-Auflehnen und Aufgeben, zwischen Leugnen der Krise und hastigem Weitergehen. Trennung und Abschied sind in gewisser Weise nie zu Ende. Dies anzuerkennen ermöglicht eher ein Weiterschreiten in der eigenen Biographie als die Illusion, man sei mit dem Verlorenen fertig. Warum gerade ich? Gibt es noch einen ähnlich stechenden, unabweisbaren Aufruf an das Ich wie den Verlust, die ungewollte Trennung, den erzwungenen Abschied beruflicher oder sozialer Sicherheit? In wohl keiner anderen biographischen Situation wehren wir uns so heftig und ahnen doch zugleich, wie sehr wir in unserem innersten Wesen gemeint sind. Man will nicht gemeint sein. Der Aufruf soll nicht mir gelten. Es soll alles ein Irrtum sein. Der Verlust soll wenigstens nicht so plötzlich und nicht so endgültig vor uns stehen. Und man weiß lange nicht, wie man der Situation überhaupt gerecht werden soll – und warum überhaupt. Warum geschieht es gerade mir? Der von Verlust Betroffene erlebt sich wie gelähmt, wie erstarrt zwischen Niedersinken und Sich-Aufrichten. Das eine ist so unbarmherzig nah und das andere ist noch so fern. Und doch spüre ich, dass es eben darum geht. Sobald ich nur wenigstens umrisshaft erkennen und anerkennen kann, dass es um mich geht – dass das, was mir zufällt, mir zufällt. Aber inwiefern kann dieser Verlust meiner sein oder auch nur werden? Und wie gewinne ich Anschluss daran, mich aufzurichten, wo ich doch unvermittelt von Panikgefühlen umgetrieben und von der Macht der Verzweiflung zu Boden gedrückt bin? Ist angesichts von Verlust, Trennung und Abschied in unserem Leben mehr möglich als Aushalten? Der Autor entwickelt Perspektiven, die uns die Sinnebene solcher schmerzlich empfundener biographischer Ereignisse zugänglich machen können. Dies nicht einfach im Sinne eines Trostes; vielmehr kann dem Leser eine Haltung zugänglich werden, die es erlaubt, Verlust und Trennung als eine der notwendigen Bedingungen menschlicher Entwicklung aufzufassen. Anhand einer durch das ganze Buch immer wieder aufgegriffenen Reflexion über die Plastik „Die Knieende“ von Wilhelm Lehmbruck zeigt der Autor, wie gerade die Angst vor Trennung und der Schmerz über eine Verlusttatsache uns zu unserem inneren Selbst führen können, welches eben nicht in der Sicherheit des Habens und schon gar nicht im Festhalten zu sich findet. Der innerste Wesenskern des Menschen kann seiner selbst gerade in den Phasen des Abschieds und des Verzichts gewahr werden und damit eine ganz andere Art von Sicherheit, Ruhe und Zuversicht gewinnen, als es das bloße Verharren erlaubt. Aus der Anerkennung der Verlust- und Trennungstatsachen mit all ihren zwischenmenschlichen und innerseelischen, oft dramatischen Umbrüchen entsteht dem Menschen eine Ehrlichkeit vor sich selbst, die eine konstruktive, in die Zukunft führende Handhabung der Krise ermöglicht. Hierfür macht der Autor aus seiner Beratungspraxis konkrete Vorschläge. Ein ergänzender Beitrag der Ehetherapeuten Ulrike und Hans-Joachim Schellenberg zeigt anhand individueller Beispiele, wie von fachlicher Seite Partnerschaftskrisen begleitet werden, die zur Trennung führen können.