"Altes neu gedacht" - Rückgriff auf Traditionelles bei musikalischen Volkskulturen
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Der vorliegende Band basiert überwiegend auf Referaten, die im Rahmen der internationalen Arbeitstagung zum Thema „Altes neu gedacht: Rückgriff auf Traditionelles als Form von Innovation bei musikalischen Gegenwartskulturen” gehalten wurden. Die Tagung fand vom 03.10. bis 06.10.2012 an der Katholischen Akademie Stapelfeld in Cloppenburg statt. Ausgerichtet wurde sie von der Kommission zur Erforschung musikalischer Volkskulturen in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e. V. gemeinsam mit dem Institut für Europäische Musikethnologie an der Universität zu Köln. Seit jeher wird in der Musik „Altes neu gedacht“. Das gilt für die verschiedenen Epochen und Genres sogenannter E-Musik: So war in besonderem Maße die Musik der Renaissance geprägt von der Idee des Rekurrierens auf Traditionen. Aus dem Interesse heraus, antike Dramen möglichst originalgetreu wiederaufzuführen, entstand um 1600 die Gattung Oper. Vor allem seit dem 19. Jahrhundert wurden die eigene „Volksmusik“ und als exotisch empfundene andere Musikkulturen für zahlreiche Komponisten zu wichtigen Inspirationsquellen. In der popularen Musik und deren verschiedenartigen Erscheinungsformen und Subkategorien kommt dem Rückgriff auf Altes gleichfalls eine besondere Rolle zu. Dies schlägt sich oftmals terminologisch in Anglizismen wie „Revival“, „Retro“, „back to the roots“ nieder. Bedingt durch technischen Fortschritt und die allzeitige Verfügbarkeit von Klängen unterschiedlicher Provenienz an nahezu jedem x-beliebigen Ort erhält der Sachverhalt jedoch noch eine weiter reichende Dimension. Denn nicht nur in Gestalt so genannter Cover-Versionen, musikalischer Zitate oder Anklänge wird Altes neu gedacht, sondern eben auch in Form Collagen, Montagen und Bearbeitungen von Samples, die aus originalen Aufnahmen anderer Musiker und Gruppen stammen. Die Autoren dieses Sammelbandes nähern sich dem Thema „Altes neu gedacht“ in Abhängigkeit von ihren jeweiligen Forschungsinteressen und -aktivitäten aus unterschiedlichen Perspektiven. In einer Vielzahl punktueller Studien liegt der Fokus auf Deutschland, wobei das musikalische Spektrum die verschiedensten Bereiche von traditioneller Volksmusik über Jazz, Rock, Punk bis zu Heavy Metal umfasst. Dies gilt auch für die hier thematisierten Musikkulturen aus dem nahen und fernen Ausland: aus Griechenland, Belarus, Russland und Südafrika. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich nicht nach außen abschotten, sondern sich den vielfältigsten internationalen und aktuellen Einflüssen öffnen. Selbst regionale und lokale Musikkulturen beharren nicht auf Eigenständigkeit, sondern vermischen sich etwa mit Ska, Hip-Hop, Punk und Rap. Musikstile entwickeln sich – wie das griechische und türkische Musikelemente miteinander verbindende Beispiel der paradosiakí mousikí zeigt ? über nationale und einst starre politische Grenzen hinweg. Und es wird nicht nur Altes neu gedacht, sondern auch Neues alt gedacht: Es werden – wie das Beispiel aus der Musikkultur der südafrikanischen Xhosa zeigt ? aus fremden Musikkulturen übernommenen Elementen indigene Wurzeln zugeschrieben, sodass sie Bestandteil einer weniger realen als imaginären Tradition werden.