Das Schreibmeisterbuch des Franz Joachim Brechtel
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Mit Gold gehöhte Flechtwerkinitialen und zum Teil farbige Tinten schmücken die lateinischen und deutschen Mustertexte im Werk des Nürnberger Schreib- und Rechenmeisters Franz Joachim Brechtel (1554–1593). Im Alter von nur 19 Jahren legte der junge Mann eine besondere Probe seines Könnens ab: Er beschrieb 24 querformatige Blätter aus dünnem, weißem Pergament mit ausgewählten Texten in verschiedenen Schriftarten. Um den Gesamteindruck einer Seite makellos zu erhalten, beließ er die Rückseiten der Blätter leer. Jede Seite konzipierte er als ein in sich geschlossenes Kunstwerk mit verzierten Anfangsbuchstaben, Goldhöhungen und in die Seitenränder ausgreifenden Zierschwüngen. Kunstfertigkeit in der Ausführung, Reichtum an Schmuckformen und die mit dem Einsatz von Goldtuschen zur Schau gestellte materielle Pracht sollten das Auge des Betrachters fesseln. Solcherart Schreibmeisterbücher dienten freilich nicht nur als Vorlagensammlungen. Sie waren auch Schauhandschriften, in denen die Schreibermeister ihr virtuoses Können vorführten. Interessanterweise war es gerade die Uniformisierung der gedruckten Schriften seit Gutenberg, die zu einem gesteigerten Bedarf an individuell kalligraphierten Dokumenten führte. So benötigte man in Kanzleien und Handelskontoren zum Beispiel Schriftmuster für kunstvoll geschriebene Adelsbriefe, Urkunden oder Geschäftsbriefe. Dafür wurden neue Schriftarten wie die Fraktur-, Kanzlei- und Kurrentschrift entwickelt.