Erinnerung an das Eigene
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Durch den Wechsel von der begrifflichen zur sinnlich-künstlerischen Perspektive erfährt Rainer Maria Rilke die Abhängigkeit und gegenseitige Bedingtheit aller Phänomene, auch die der vermeintlich spontanen Verstandestätigkeit. Was traditionell in den Bereich der abstacta fällt, wird zum sinnlich erfahrbaren concretum. Die Spontaneität des Verstandes erweist sich als rezeptiv und damit als Teil der Sinnlichkeit. Der Dualismus zwischen Verstand und Sinnlichkeit bricht zusammen. Alles ist Erfahrung und Erinnerung. Rilke erkundet mit seinem einzigen Roman „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ eine künstlerische Form des Philosophierens, die sich vor dem Hintergrund unseres abendländischen Denkens als etwas radikal Neues abhebt. Es wäre fatal, den Roman nur als eine subjektivistische Erzählung des auf sich selbst zurückgeworfenen Individuums der Moderne aufzufassen. Es werden vielmehr intersubjektive Wahrheiten sichtbar, die für alle Daseinsbereiche gelten, für jede Form des empfindenden Seins. Rilke versucht mit den Aufzeichnungen die Grenze sprachlicher Ausdrucksmöglichkeit ein Stück weiter ins Unsagbare hinein zu verschieben.