Turandot, die persische Märchenerzählung
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Das Märchen von Turandot ist eine der weltweit bekanntesten und einflussreichsten Erzählungen aus den Literaturen des islamischen Orients; es hat sowohl in zahlreichen künstlerischen Bearbeitungen als auch in der populären Überlieferung seinen Niederschlag gefunden. Turandot ist - entgegen einer weit verbreiteten Meinung - ein persisches, kein chinesisches Märchen. Die ältesten Geschichten von der Prinzessin, die alle Freier, die ihre Rätsel nicht lösen können, hinrichten lässt, treten um 1200 im persischen Sprachraum auf. Eine dieser Geschichten stammt von dem persisch-indischen Autor ʿAufī; in ihr kommen bereits alle wesentlichen Elemente der späteren Geschichte vor. Youssef Mogtader und Gregor Schoeler haben diese 'Ur- Turandot' sowie eine spätere anonyme Fassung der Märchenerzählung, in der der Stoff zu einem spannenden Roman ausgestaltet ist und auf die alle europäischen Versionen letztendlich zurückgehen, erstmalig kritisch ediert, übersetzt, kommentiert und interpretiert. In einer einleitenden Studie wird die Geschichte des Turandot-Stoffs von den Anfängen bis zum Libretto von Puccinis Oper dargestellt. Durch die kritische Edition und Übersetzung der beiden Texte wird den Fachgelehrten sowie auch einem breiteren Publikum ein Stoff zugänglich gemacht, der zur Weltliteratur zählt: Gozzi, Schiller, im 20. Jahrhundert Brecht und Hildesheimer haben Turandot-Dramen verfasst; und der Stoff hat mehrfach die Vorlage für Opernlibretti abgegeben - Busoni und Puccini sind nur die berühmtesten Komponisten, die Turandot-Bearbeitungen vertont haben. Der internationalen Erzählforschung werden die persischen Originaltexte der Turandot-Geschichte durch die Übersetzung und den Kommentar hierzu erstmalig vollständig erschlossen. Erzählforscher werden sich unter anderem für Struktur und Inhalt der Rätsel interessieren. Diese sind auch für den Islamwissenschaftler interessant; denn die vielen die Religion betreffenden Fragen geben Aufschluss darüber, was der gebildete muslimische Laie von seiner Religion, vor allem aber auch von den religiösen Lehren seiner nicht-muslimischen Landsleute wusste. Aus der Erzählung selbst geht Interessantes über Sitten, Gebräuche und religiöse Einstellungen der muslimischen Oberschicht im damaligen Iran hervor, z. B. bei welchen Gelegenheiten Wein - trotz des muslimischen Verbots - bedenkenlos getrunken wurde. Der an persischer Literatur Intessierte wird das Erscheinen der Edition und der Studie vor allem deshalb begrüssen, weil mit den beiden Turandot-Versionen Texte veröffentlicht werden, die der bisher wenig erforschten Gattung der volkstümlichen erzählenden Prosa-Literatur ('mittlere Literatur') angehören. Dem Linguisten wird neues Material für das Studium der sprachlichen und stilistischen Eigenarten (Stilebenen, Verwendung von Bildern und Stilmitteln, umgangssprachliche Einflüsse) zweier aus verschiedenen Zeiten stammender Texte an die Hand gegeben. Für Studierende der Iranistik (Persistik) sind die Prosa-Teile der Erzählung als Übungstexte geeignet. Schliesslich werden alle Märchenfreunde darüber erfreut sein, dass mit der Übersetzung der persischen Turandot ein orientalisches Märchen bekannt gemacht wird, das an Wert den besten Erzählungen aus 1001 Nacht nicht nachsteht. Den Texten sind fünf prächtige persische Miniaturen beigegeben, in denen grosse Szenen und Momente der Märchenerzählung dargestellt werden. Da die Bilder zum Teil unveröffentlicht sind, wird das Buch auch für Kunsthistoriker von Interesse sein.