Die Dunkelheit, Ich & das Sein
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Liebe Leserin, lieber Leser, wie jeder Autor weiß, und ich betrachte jeden Menschen als Autor, der im Laufe seines Lebens mehr als drei Zeilen zu Papier gebracht hat, schreibt man das Vorwort, dem Namen zum Trotz, als letztes. Das Buch ist schon längst geschrieben, es liegt bereits in den Händen von klugen Lektorinnen und Lektoren, da habe ich noch die zweifelhafte Ehre, ein paar Zeilen hineinzuquetschen, die einführend, zusammenfassend und hoffentlich so spannend sind, dass die bereits gelangweilten Leser nicht sofort zum ersten Kapitel vorblättern. (Fühlen Sie sich frei, niemand ist hier beleidigt, wenn Sie das Vorwort überspringen.) Die Locke, schlau wie sie ist, ist schon längst über alle Berge und genießt das Leben im warmherzigen Italien. Ich hingegen sitze hier und schreibe, weil ich gerne die Illusion erzeuge, der Weisere zu sein. Aber bin ich es? Gibt es so etwas wie den Weiseren? Während ich mir diese Fragen in meinem Kopf beantworte, ist sie auch da, die andere, verschollene Autorin. Nicht in fester Form, sondern im Sein. Genau hinter meiner rechten Schulter beobachtet Sie mich kritisch. Auch wenn Sie als Leser große Zweifel haben, für mich ist sie so real, wie die Buchstaben in dieser Zeile. Sie liegt in ihrer Hängematte, das linke Bein zur Kühlung außerhalb positioniert und frech nach Innen lachend. Sie wartet geduldig auf die nächsten Zeilen, wohl wissend, dass sie niemals wichtig werden. Es ist diese Welt, in der ich lebe. Ich rede und arbeite auf dieser anderen Seite. Hier sind Menschen mit all ihren Leben sichtbar. Handwerker, Künstler, Maler, Frau, Mann, Krieger, Lehrer und Schüler in einer Seele. Auf der Erde hingegen werden Menschen auf Klaus, Julia, Anna, Eva, Norbert oder Lars eingeschränkt. Das ist so eng, dass eine sofortige bewusste Wahrnehmung dieser Begrenztheit, jeden schnell in den Freitod treiben würde. Also wird die Wahrnehmung, das Bewusstsein, das schon immer Teil von jedem Erdling ist, nur langsam geöffnet. Jeder auf seine Art und Weise, jeder in seinem Tempo. Diese Zeilen können Ihre Öffnung begleiten, müssen sie aber nicht. Sollten Sie sich darauf einlassen, seien Sie bereit für Strenge und Anstrengung. Es wird viel Arbeit und eine ständige Wiederholung. Auf Übung folgt Übung, und eine weitere Übung. Wenn Sie ein seichtes, leichtes Buch bevorzugen, haben Sie nicht das passende in Ihrer Hand. Schon nach dem ersten Buch beschrieb eine weise Leserin, so weich und treffend, meinen Schreibstil als „Wortschwert“. ...