Gewissensinterpretationen im Alltag
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Für die Sozialwissenschaften erscheint das Gewissen als hilfreiches Erklärungskonzept, weil es das Zusammenspiel von Emotionen, moralischen Standards und Prozessen der Selbstreflexion betont. Allerdings illustriert diese große Bandbreite an Phänomenen ebenso die Schwierigkeiten darin, das Gewissen auf theoretisch überzeugende Weise als ein empirisches Konzept abzugrenzen. Unter Rückgriff auf begriffsgeschichtliche Eckpunkte und kognitionstheoretische Ansätze postuliert der Autor, dass individuelle Gewissensinterpretationen zusammenhängende, proximale Konstituenten moralischer Bindungen darstellen und sie in diesem Sinne indikativ sind für die individuelle Verankerung von Moral. Die vorgeschlagene Operationalisierung autonomer und heteronomer Formen moralischer Bindungen, die induktiv auf der Grundlage typenbildender statistischer Verfahren entwickelt wird, bildet einen Kompromiss, der einerseits versucht, eine simplifizierende Dichotomie zwischen autonomen und heteronomen Formen moralischer Bindungen zu vermeiden, dabei aber gleichzeitig die Komplexität reduziert, in der sich Gewissenserfahrungen im Alltag bemerkbar machen. Das Verfahren der latenten Profilanalyse erlaubt entsprechende Zusammenhangsanalysen zwischen verschiedenen Gewissenstypen und sozialpsychologischen Konzepten im Rahmen eines integrierten, statistischen Modells.