Die Arbeiterbewegung in Portugal im Prozess gesellschaftlichen Umbruchs
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Fundierte wissenschaftliche Erklärungsmuster für die extreme Spannbreite der Verhaltensdispositionen der Arbeiterschaft, für den Positionswandel von einer apathischen Masse ohne eigene Interessensvertretungsorgane über die Rolle des revolutionären Subjekts zur integrierten sozialen Gruppe in einer repräsentativen Demokratie, lagen bis 1988 im portugiesischen wie im internationalen Rahmen nicht vor. Uwe Optenhögel versucht eine empirisch-deskriptive Rekonstruktion der Traditionen, der Entstehung und der Politik der portugiesischen Gewerkschaftsbewegung, wie sie sich Ende der 80er Jahre im Dualismus zweier konkurrierender Dachverbände unterschiedlicher politischer Provenienz darstellte. Als Traditionen werden sowohl die Erfahrungen aus der Phase der freien, anarcho- syndikalistisch geprägten Bewegung (bis 1926) als auch die aus den Jahrzehnten diktatorischer Unterdrückung im Salazarismus (bis 1968) verstanden. Im Zentrum des Blicks steht die dynamische Periode gesellschaftlichen Umbruchs zwischen dem Jahr 1968, in dem erstmals wieder eine verstärkte Arbeiteropposition gegen die Diktatur zu registrieren war, und 1979, dem Jahr, in dem das portugiesische Gewerkschaftssystem mit der Gründung einer zweiten Konföderation seine bis heute gültige Gestalt annahm. Die Darstellung gewerkschaftlicher Politik orientiert sich bevorzugt an der Dachverbandsebene, da auf dieser in einer Bewegung von 300 bis 400 Einzelgewerkschaften die richtungweisenden Akzente gesetzt wurden. Optenhögel geht in Anlehnung an von Beyme davon aus, daß „gewerkschaftliches Verhalten nur im Kontext der gesamten Arbeitsbeziehungen und des politischen Systems deutbar“ ist. Im Rahmen dieser Perspektive richtet sich sein Erkenntnisinteresse dieser ersten Bestandsaufnahme nach-salazaristischer Gewerkschaftspolitik darauf, die Rolle der Gewerkschaften im dynamischen Prozeß gesellschaftlicher Transformation im Kontext ihrer historischen Bedingtheit wie ihrer polit-ökonomischen und sozialen Determinierung zu erklären. Diese Forschungsperspektive ist eingebunden in eine, die Fachdisziplinen übergreifende, historisch-kritische Sozialwissenschaft im Sinne Hans-Ulrich Wehlers. Der polit-ökonomisch politikwissenschaftliche Ansatz wird ergänzt um eine historische und eine sozialpsychologische Komponente.