Die Kinderkrippe
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Wie kaum eine andere Institution im Bereich der Kinderbetreuung und –erziehung war – und ist nun wieder – die Krippe Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen. Die Vereinigung beider deutscher Staaten hat die alten Debatten in überraschender Härte wieder aufleben lassen, ohne dass nennenswerte Veränderungen der hinlänglich bekannten Positionen erkennbar sind. Ist der Krippenbesuch der kognitiven, sozialen und gesundheitlichen Entwicklung kleiner Kinder abträglich? Wird ihnen dort zuwenig Liebe und Förderung zuteil? Oder aber ist diese Einrichtung in besonderem Maße in der Lage, jenes zu leisten, was das Elternhaus oft nicht kann – Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen herstellen, systematische Lernerfahrung bieten? Persönlichkeit aus Wissenschaft und Politik, Verbänden und Gewerkschaften äußern sich zu solchen Grundsatzfragen. Die Auseinandersetzung über das Für und Wider gerät dabei nicht selten zu einem ideologisch überfrachteten Schlagabtausch. Dieses Buch will die Akzente verlagern, die Perspektiven wechseln. Es will jenen Gehör verschaffen, deren Stimme bislang wenig zur Kenntnis genommen wurde, obgleich sie täglich vor Ort arbeiten und somit als Expertinnen gelten können – Erzieherinnen, Kinderkrankenschwestern und –pflegerinnen. Auf der Grundlage einer in (West-)Berlin durchgeführten explorativen Studie wird dargelegt, wie diese Frauen ihre berufliche Situation und ihren Alltag sehen, welches fachliche Selbstverständnis sie vertreten und wie sie die Krippe als Institution erfahren und bewerten. Indem die verschiedenen Facetten, die Vorzüge und Probleme dieses vermeintlich „typischen“ Frauenberufs näher beleuchtet werden, eröffnet sich auch der Blick in diese Sozialisationsumwelt des Kindes. Denn deren Qualität und Gestalt hängen entscheidend von der Berufsauffassung, den Qualifikationen und Kompetenzen der dort tätigen Frauen ab – nicht zuletzt aber auch von den materiellen und personellen Bedingungen, die dieser Arbeitsplatz bereithält. Die Befunde verweisen auf ein gewandeltes, pädagogisch konturiertes Leitbild der Krippe. Indikatoren dieses Wandels sind die fachlichen Qualifikationen des Personals, dessen Bereitschaft zur Weiterbildung sowie die berufsbezogenen Vorstellungen, Erziehungskonzepte und Verhaltenspotentiale. Die Frauen sehen die Krippe als Einrichtung, in der soziales Engagement und erzieherischer Einsatz verlangt ist, und die in besonderem Maße die Aufarbeitung von Defiziten des Elternhauses herausfordert. Ausnahmslos alle definieren die Liebe zu Kindern als Kernstück ihres Handelns, das aus ihrer Sicht freilich der professionellen Basis bedarf. Wenn dennoch die Umsetzung des beruflichen Könnens, der Erziehungsvorstellungen und emotionalen Haltungen im Alltag nicht immer gelingt, so scheinen dafür im Wesentlichen äußere Faktoren bestimmend zu sein. Die räumliche Situation, die personelle Unterbesetzung und die schlechte Bezahlung erfahren herbe Kritik, die eine vorausschauende Tarifpolitik ebenso wenig ignorieren sollte wie die sich abzeichnenden Probleme mit der Rekrutierung von Nachwuchskräften einerseits und der besonderen Bedürfnislage älterer Mitarbeiterinnen andererseits. Darüber hinaus fordern die vielfältigen Befunde zur differenzierten Diskussion der Krippenproblematik auf sowie zur weiteren, intensiven wissenschaftlichen Befassung im diesem vermeintlich „typischen“ Frauenberuf, den die meisten Befragten indes als auch von Männern erlernbar betrachten.