Die Führung in den Koalitions- und Präsidialkabinetten der Weimarer Republik
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Nach dem Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt ist der Reichskanzler lediglich Vorsitzender eines Kollegialorgans. Die am 11. August 1919 in Kraft getretene Weimarer Reichsverfassung weist ihm in Artikel 56 die Befugnis zur Bestimmung der Richtlinien der Politik zu. Vor diesem Hintergrund befaßt sich die Publikation mit den Fragen, - ob der Reichskanzler versucht hat, politische Leitlinien zu entwickeln und durchzusetzen, - inwieweit ihm dies gelungen ist und - welche Faktoren die Aufstellung und Durchsetzung der Leitlinien beeinflußt haben. Sie behandelt den Zeitraum zwischen dem Amtsantritt des Kabinetts Scheidemann am 13. Februar 1919 und der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933. Zunächst werden die rechtlichen Grundlagen für die Entwicklung und Durchsetzung der politischen Leitlinien erläutert. Dazu gehören die Bestimmungen über die obersten Reichsorgane im Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt und in der Weimarer Reichsverfassung. Letztere lassen bereits erhebliche Beschränkungen der Richtlinienkompetenz des Artikels 56 Satz 1 erkennen, weil die zur Durchsetzung dieser Befugnis notwendigen Machtmittel anderen Reichsorganen, insbesondere dem Reichspräsidenten, zugeordnet waren. Es folgt der Hauptteil der Arbeit, in dem die o. g. Fragen anhand der herausragenden Ereignisse in der Außen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie der Innenpolitik untersucht werden. Dabei wird deutlich, daß die Reichskanzler der Weimarer Republik in unterschiedlicher Intensität die Richtlinien der Politik bestimmt haben. Das Spektrum reicht von den Reichskanzlern Luther und Brüning, welche die Richtlinienkompetenz in allen Bereichen wahrnehmen konnten, bis zu den Reichskanzlern Scheidemann, Bauer, Müller, Fehrenbach und Marx, die in keinem Bereich politische Leitlinien entwickelt und durchgesetzt haben. Beschränkt wurde die Bestimmung der Richtlinien durch: - die Stellung des Reichspräsidenten, derr insbesondere in die Außen-, Sozial- und Landwirtschaftspolitik sowie in innenpolitischen Krisen eingegriffen hat. - die parteipolitische Bindung von Reichskanzlern und - die Notwendigkeit, mit starken Ministern bei der Durchsetzung der politischen Leitlinien zusammenzuwirken. Die Richtlinienkompetenz ist daher als Mittel der Konfliktlösung nur beschränkt tauglich gewesen, zumal vereinzelte Äußerungen von Reichskanzlern zeigen, daß sich das Kanzlerprinzip in den Köpfen der Regierungschefs nicht als das vorrangige Organisationsprinzip durchsetzen konnnte.