Faszination und Desillusionierung
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Der Autor spürt einem der rätselhaftesten Phänomene des 20. Jahrhunderts nach: Der Stalinismus hat, besonders in den dreißiger Jahren, auch westliche Intellektuelle maßlos fasziniert - Terror und Säuberungen haben die Schriftsteller und Künstler, die für die Sowjetunion Partei ergriffen, in „selbstgewählter Verblendung“ (Manès Sperber) verleugnet. Diesem Konnex von Faszination und Verschweigen geht Mark-Christian von Busse auf den Grund. Er stellt im ersten Teil des Buches dar, wie sich die Hinwendung zum Kommunismus bei „Sympathisierenden“ wie „Parteisoldaten“ vollzog. Im zweiten Teil stehen die Rechtfertigungen und Mechanismen im Mittelpunkt, mit denen Zweifel am „kommunistischen Glauben“ überwunden wurden. Der dritte Teil untersucht, warum und in welcher Weise „Renegaten“ sich in einem oft schmerzhaften Prozeß von der Partei gelöst haben. Alle drei Phasen - blauäugige, blinde Begeisterung, Zweifel bis hin zum Doppelleben und Abtrünnigkeit - werden anhand einzelner Biographien exemplarisch beleuchtet. Ausführlich betrachtet der Autor die Lebensläufe von Ignazio Silone und Gustav Regler, die beide nach jahrelanger Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei zu einer antiautoritären Haltung fanden und ihre Selbsttäuschung wie die spätere Abkehr von der Partei in Romanen und Autobiographien reflektiert haben. Die tiefgreifenden Kontroversen vor allem der deutschen Exilanten - am wichtigsten war die Auseinandersetzung zwischen Lion Feuchtwanger und André Gide - werden anschaulich nachgezeichnet. Die Analyse der fiktionalen und publizistischen Texte ergänzt der Autor durch einführende historische Exkurse. Deshalb wird die umfassende Schilderung der zentralen Intellektuellenillusion dieses Jahrhunderts auch Leser interessieren, die sich bislang noch nicht mit der Verstrickung von Intellektuellen in den Stalinismus oder mit Stalins Herrschaft überhaupt beschäftigt haben. Der Autor, geb. 1968, studierte Soziologie, Neuere deutsche Literaturgeschichte (Germanistik) und Rechtswissenschaften (Öffentliches Recht) an der Universität Freiburg im Breisgau, 1998 Promotion zum Dr. phil. Nach Abschluß eines Volontariats arbeitet er als Redakteur bei der Hessischen / Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) in Kassel.