Sexuelle Erregung und Selbstaufmerksamkeit
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Unsere Gesellschaft hat in diesem Jahrhundert tiefgreifende Veränderungen im Bereich der Sexualität erlebt. War in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts die Sexualität in der Öffentlichkeit weitgehend ausgeklammert, gesellschaftlich tabuisiert und herrschte der Leitspruch: „Du darfst nicht“ vor, so daß sexuelle Störungen oft unentdeckt blieben oder sich über Symptomverschiebungen ausdrückten, wurde mit Beginn der 60er Jahre die Sexualität freier und öffentlicher. In den nachfolgenden Jahrzehnten bis heute wuchs dadurch auch langsam das private und öffentliche Bewußtsein für sexuelle Störungen wie die Erektionsstörung. Die hohen Prävalenzraten von 4-10% bei Erektionsstörungen zeigen, daß ein dringender Interventionsbedarf besteht. Dabei sind, angesichts der für viele Männer zentralen identitätsstiftenden Bedeutung der sexuellen Erregung, hohe Dunkelziffern sehr wahrscheinlich. Stellt man in Rechnung, daß die Erektionsstörung unbehandelt erhebliches Leiden verursacht, eine Chronifizierung der Beschwerden sowie ein Vermeiden von sexuellen Beziehungen oder ein Auseinanderbrechen von Partnerschaft/ Ehe in vielen Fällen zur Folge hat, so wird sehr schnell die gesellschaftliche und reproduktive Tragweite dieser Störung deutlich. Seit Markteinführung des Medikaments Viagra 1998 beschäftigen sich die Massenmedien mit dem Thema Erektionsstörung. Dies erscheint auf den ersten Blick als positiv. Denn die Erektionsstörung wird „diskussions- und salonfähig“, da sie keine nicht behandelbare Erkrankung mehr darstellt, sondern nur eine vorübergehende Schwäche, die mit dem „Einwerfen“ einer Pille mit bislang noch unzureichend geprüften Nebenwirkungen zeitweise „vertuscht“ werden kann. Damit kann besonders der Mann mit einer psychogenen Erektionsstörung dem verzerrten Bild der Massenmedien noch intensiver folgen und die eventuell bestehenden partnerschaftlichen, sozialen und psychologischen/psychosomatischen Probleme noch vehementer ignorieren. Der Abbau der gesellschaftlichen Tabuisierung könnte damit auf Kosten einer höchstwahrscheinlich zunehmenden individuellen Verdrängung gehen. Mit der Arbeit Dieter Manns' wird das bisherige Wissen zur Ätiologie der Erektionsstörung sowohl theoretischer als auch empirischer Natur zusammengetragen, geordnet, systematisch dargestellt und bewertet. Gleichzeitig erweitert sie die Problemstellung, indem sie das Modell der gestörten sexuellen Erregung von Barlow, das ausschließlich anhand vieler Einzelstudien entwickelt wurde, experimentell überprüft und die in dem Erklärungsmodell angedeutete Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf das Selbst theoretisch fundiert aufgreift. Darüber hinaus wird mittels einer experimentellen Überprüfung der Frage nachgegangen, ob situative Selbstaufmerksamkeit in sexuellen Situationen einen Einfluß auf die sexuelle Erregung hat und, wenn ja, welcher Art dieser Einfluß ist.