Die Ordnung der deutschen Gesellschaft
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Wie haben die Deutschen im 20. Jahrhundert ihre ”Gesellschaft”, ihr soziales Zusammenleben verstanden? Welche Kontinuitäten und Brüche lassen sich in ihrer Selbstwahrnehmung vom Kaiserreich und der Weimarer Republik über das ”Dritte Reich” bis zur Bundesrepublik beobachten? Dieses Buch bietet einen ungewöhnlichen und faszinierenden Blick auf die Sozialgeschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. Es ist zugleich ein eminent politisches Buch, denn die Entwürfe sozialer Ordnung, so zeigt sich, waren stets aufs engste mit den Chancen für Demokratie und individuelle Freiheit verknüpft. Das 20. Jahrhundert war in Deutschland nicht nur eine Zeit tiefgreifender politischer Umbrüche – es war zugleich eine Zeit des sozialen Wandels, in der die Menschen immer wieder nach Antworten auf die Frage gesucht haben, was ihre soziale Ordnung, ihre ”Gesellschaft” angesichts vielfacher Spannungen und Konflikte zusammenhält. Paul Nolte beschreibt in diesem Buch, welches Bild sich die Deutschen seit der Zeit des Kaiserreichs und des Ersten Weltkriegs von ihrem sozialen Zusammenleben machten, mit welchen Ängsten und Hoffnungen sie den Verlust älterer sozialer Bindungen, den Aufstieg der industriellen Klassengesellschaft und den Durchbruch einer anonymen Massengesellschaft begleiteten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fielen soziale Wirklichkeit und soziale Utopie weit auseinander, und vielen schien der Rückzug in eine geordnete, möglichst konfliktfreie Welt der Stände und der engen Gemeinschaften vielversprechend. Daraus gewann auch die nationalsozialistische Vorstellung von einer ”Volksgemeinschaft” ihre Attraktivität. Erst in der Bundesrepublik der fünfziger und sechziger Jahre gelang es, die Ängste vor der gesellschaftlichen Moderne abzuschütteln; die Deutschen lernten, eine Ordnung zu akzeptieren, in der die Verschiedenheit von Klassen und Schichten, von politischen und sozialen Interessen selbstverständlich war. Dieser Wandel war nur möglich dank einer Neuorientierung des konservativen Denkens in Deutschland, das sich mit der früher so heftig bekämpften modernen Gesellschaft nun abfand oder sie sogar emphatisch begrüßte. Denn ob in der Weimarer Republik oder nach 1945, immer waren es Intellektuelle und vor allem Sozialwissenschaftler, welche die Entwürfe einer deutschen Gesellschaft maßgeblich prägten.