Historismus und Kulturkritik
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Historismus, verstanden als umfassende Historisierung kultureller Gegebenheiten, prägt seit annähernd 200 Jahren die europäische Kultur der Moderne. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts mehrten sich Stimmen, die einem Zuviel an Geschichte eine schädigende Wirkung zusprachen. Namentlich die zweite »Unzeitgemäße Betrachtung« Friedrich Nietzsches (1874) wird immer wieder als Initialzündung für die Krise des Historismus angesehen, die sich alsbald zur kritischen Reflexion der Erkenntnisgrundlagen überhaupt, zur gut fünfzig Jahre andauernden Krise der Wirklichkeit ausweitete. Johannes Heinßen interpretiert die Krise des Historismus als Folge der Erosion geschichtsphilosophischer, sinnstiftender Ordnungsverfahren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Über eine Vielzahl von Einzeldisziplinen (Theologie, Philosophie, Kunstgeschichte, Geschichtswissenschaft, Literaturwissenschaft, Soziologie, Naturwissenschaft) hinweg zeichnet er ein Bild zahlreicher, letztlich vergeblicher Rettungsversuche dieser Gedankenwelt. Auf der Grundlage der zeitgenössischen Kulturpublizistik entfaltet sich daneben ein Panorama heute vergessener Autoren wie Eduard von Hartmann, Moriz Carrière, Karl Christian Planck, David Friedrich Strauß und Karl Hillebrand, die als Epigonen des Idealismus oder des wissenschaftlichen Materialismus das Weltbild des Bildungsbürgertums dieser Jahre prägten. Zugleich wird hier eine Problemgeschichte der Klassischen Moderne geschrieben. Die Sicht auf das historische Denken um 1890 in seiner Breite erklärt wesentliche Strukturen der Geschichtskultur um die Jahrhundertwende: den Weg in die völkische Kulturkritik (Paul de Lagarde, Julius Langbehn) ebenso wie die Genese der Historischen Kulturwissenschaft.