Numerische Simulation, Strukturanalyse und Bemessung von Stahlbeton-Verbundkonstruktionen unter Berücksichtigung des nachgiebigen Verbundes von Grenzflächen in Fugen
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Moderne Baukonstruktionen des Ingenieur- und Brückenbaus bestehen oftmals aus einer Kombination von gleichartigen oder unterschiedlichen Baustoffen, deren kraftschlüssiges Zusammenwirken über Materialgrenzflächen die wesentliche Voraussetzung für die Standsicherheit darstellt. Im ungünstigsten Fall wirken die über eine Materialfuge kraftschlüssig verbundenen Querschnittsteile getrennt als Einzelquerschnitte. In jüngster Zeit gewinnt durch die Zunahme von Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bei Stahlbetontragwerken die nachträgliche, kraftschlüssige Verstärkung durch Ortbetonschichten an Bedeutung. Häufig ergibt sich auch im Zusammenhang mit Nutzungsänderungen und steigenden Lasten die Notwendigkeit des Umbaues und der Verstärkung. Das Ziel des Tragwerksentwurfes für den Neubau und die Revitalisierung ist es, die kraftschlüssigen Grenzflächen in Fugen bei Stahlbetonkonstruktionen so auszubilden, daß diese das Gesamttragverhalten nicht maßgeblich beeinträchtigen. Internationale Standards trivialisieren das Problem kraftschlüssiger Betonfugen, indem es auf ein eindimensionales Schub-Bemessungsproblem reduziert wird, das einen starren Verbund, ein additives, globales Konzept nach der Schub-Reibungs-Theorie sowie die volle Fließlast des Verbundstahls als Reaktionskraft auf die Fuge voraussetzt. Maßgebende Systemeinflüsse bleiben außer acht. Dies führt oftmals zu Unsicherheiten bei der Tragwerksplanung und zu ineffizienten Detaillösungen. Bisher wurden vielfältige Versuche zur Klärung des physikalisch lokalen Verhaltens durchgeführt. Im Gegensatz dazu weist jedoch der Einfluß des Tragverhaltens von Beton-Grenzflächen in Fugen auf das Strukturverhalten offene Fragestellungen auf. Hierzu existieren bislang keine dreidimensionalen theoretischen Untersuchungen. In der vorliegenden Arbeit werden zunächst ausgehend von einer Analyse des bisherigen experimentellen und theoretischen Wissensstandes wichtige Zusammenhänge zur Berechnung und Modellbildung von Verbundfugen aufgezeigt, verglichen und diskutiert. Für die nichtkonservative, hoch nichtlineare numerische Simulation und Strukturanalyse von Stahlbeton-Verbundkonstruktionen erfolgt die Entwicklung eines Finite-Element-Konzeptes auf kontinuummechanischer Basis zur Diskretisierung und Berechnung dreidimensionaler Strukturmodelle beliebiger Gesamtsysteme mit einem hohen geometrischen und physikalischen Realitätsgrad. Neu formulierte konstitutive Modelle für Material und Verbund werden mit Subroutinen in das universelle FE-Programm ANSYS implementiert. Die Leistungsfähigkeit des Strukturmodells wird anhand von Verifikations- und Strukturanalysen von sechs unterschiedlichen Versuchsträgern und zwei Dübel-Abscherversuchen veranschaulicht. Darüber hinaus werden das Fugentragverhalten maßgeblich beeinflussende Parameter systematisch variiert, um deren Einflußgrad auf das Strukturverhalten zu bestimmen. Die numerischen Ergebnisse markanter Laststufen werden diskutiert und miteinander sowie mit den Versuchsergebnissen verglichen. In Fortsetzung der Simulationsstudie werden auf der Grundlage der Strukturmodell-Konzeption eine in der Baupraxis häufig anzutreffende Verbund-Mehrfeld- und eine Verbund-Rahmenkonstruktion, für die keine Versuche existieren, generiert und für ausgewählte Lasteinwirkungen, wie kombinierte Torsionsbeanspruchung etc. , sowie unterschiedliche Fugenausbildungen analysiert.