Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte
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Wer erinnert sich heute noch daran, dass etwa die moderne Sprachphilosophie, die Psychoanalyse, die Soziologie des Wissens, der Feuilletonismus, der Ästhetizismus Hofmannsthalscher Prägung, die Reine Rechtslehre, die Zwölftonmusik von Österreich aus ihren Weg angetreten haben? Viele der Persönlichkeiten, die dieses Buch behandelt, sind weltbekannt geworden und geblieben, andere wieder sind so gut wie vergessen, aber ihr Beitrag zu einem neuen Weltbild verdient es sehr wohl, sich mit ihnen auseinander zu setzen. In derselben Stadt, in der Johann Strauß die „schöne blaue Donau“ glorifizierte, rang Schönberg um einen neuen musikalischen Kosmos, und in einer dem Ästhetizismus überschwänglich huldigenden Gesellschaft, die von verlogenen Tabus gezeichnet war, haben Freud und Karl Kraus das Dickicht der Zweideutigkeiten und Doppelzüngigkeiten kompromisslos durchbrochen. Kontraste wie Lebenslust und Todestrieb, therapeutischer Nihilismus und Ignaz Semmelweis, Makart und Schiele, Brentano und Wittgenstein, Otto Weininger und Rosa Mayreder zeigen, wie vielfältig traditionelle und moderne Strömungen einander befruchten. Aus der Einleitung zur 4. Auflage von William M. Johnston: „(…) Während ich mir das Geistesleben des alten Österreich ausmalte, ließ ich mich von einigen seiner Protagonisten mit der nötigen Kühnheit anstecken, um ihr habsburgisches Reich als ein einziges Geistesreich zu betrachten. Wahrscheinlich hatte keiner von ihnen selbst diesen Sprung ganz gewagt - es bedurfte eines Amerikaners, um dem Bewusstsein zu gestatten, “Erfahrung zu erschaffen„, wie es bei John Bayley heißt - aber gleich ihnen gründete ich meine Suche auf empirische Fakten. Das vorliegende Buch lädt den Leser ein, ausgehend von den hier präsentierten Errungenschaften den Prozess der Erfindung neuer Erfahrungsstrukturen fortzusetzen. Nicht allein die österreichischen Dinge, sondern mehr noch die österreichischen Ideen bieten jedermann die Chance selbst herauszufinden, worin die Bedeutung des österreichischen Erbes besteht und innerhalb der Europäischen Union auch künftig bestehen wird. Österreichs größtes Geschenk an Europa war wohl die Fähigkeit, in bis dahin übersehenen empirischen Daten neue Ideen zu entdecken, und eben darin liegt auch das Ziel dieses Buches. Es entwirft ein Porträt von Altösterreich als einem Geistesreich, wo Ideen und Fakten fruchtbar und langfristig zusammenwirkten. Wir sind alle Erben jenes Zusammenwirkens.“
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