Günter Grass
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Gute Schriftsteller sind immer unsichere Kantonisten. Offen gesagt: Mich interessieren nur die Schriftsteller, auf die man sich nicht verlassen kann, weil sie nicht berechenbar sind, schrieb Marcel Reich-Ranicki 1982. Und 10 Jahre später: Jedenfalls läßt der Ruhm von Günter Grass nur wenig nach: Er ist und bleibt Deutschlands erster und repräsentativster Schriftsteller. In der Tat, das Verhältnis Grass/Reich-Ranicki scheint von Anfang an unberechenbar: So soll der Kritiker den jungen Romanautor im Mai 1958 in Warschau als bulgarischen Spion enttarnt haben - eine Legende, deren erzählerische Gegendarstellung als Nachwort dieses Buches vorliegt -, und in 'Aus dem Tagebuch einer Schnecke' finden sich Episoden, die auf Erzählungen Reich-Ranickis zurückgehen. Bewunderung und Zweifel prägten das Verhältnis zwischen dem Kritiker und dem Autor, der gleich mit seinem ersten Roman Weltruhm erlangte und das literarische Leben seiner Generation repräsentiert. Seine Bücher immer wieder an diesem Anspruch zu messen, sie als Zeichen und Symptom der literarischen Entwicklung der Bundesrepublik zu verstehen, war das Ziel Marcel Reich-Ranickis, der bis auf das 'Tagebuch einer Schnecke' alle Romane und Erzählungen von Günter Grass rezensierte: von der 'Blechtrommel' bis zu den 'Unkenrufen'. Wachsam behielten sich Kritiker und Autor im Blick, skeptisch und liebevoll, aufmerksam und pointiert - Marcel Reich-Ranickis Aufsätze zu Günter Grass gewähren einen der fruchtbarsten Einblicke in die Literaturgeschichte der letzten dreißig Jahre.