William Blake
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Schon als Kind verfügte William Blake über das zweite Gesicht und setzte seine Visionen von den Engeln und Propheten in Bilder und Verse um. Williams Vater, ein Strumpfwarenhändler, erkannte früh, dass der Junge für einen Brotberuf untauglich war, und meldete den Zehnjährigen in der bedeutendsten Londoner Zeichenschule an. Mit der Aufnahme in die Royal Academy of Arts, zwölf Jahre später, schien für William Blake eine glänzende Laufbahn als Maler vorgezeichnet. Aber er überwarf sich mit dem Akademiepräsidenten und erfolgreichen Porträtmaler Sir Joshua Reynolds und wurde Kupferstecher, eine damals beinahe schon altmodische Profession. Blakes Leben ist immer reich an Widersprüchen gewesen. Er setzte sich demonstrativ die rote Jakobinermütze auf, idealisierte aber als glühender Patriot Britanniens Vergangenheit. Er mied die Öffentlichkeit, ließ sich jedoch durch einen Soldaten in einen Skandalprozess verwickeln. Viele Zeitgenossen rühmten seine Sanftmut, aber wehe dem Widersacher, der seinen Zorn erregte. Er schrieb Hymnen auf die freie Liebe und brach in seinen Aquarellen und Zeichnungen erotische Tabus, lebte aber 45 Jahre lang treu an der Seite seiner Frau: Catherine Boucher. Sie stammte aus einfachsten Verhältnissen, bildete sich nach der Heirat (1782) durch eigene Studien weiter und half Blake nicht zuletzt mit ihren technischen Fertigkeiten bei der Vollendung seiner bekanntesten Werke: die Lieder der Unschuld und Erfahrung (1789/94), die Ideenschrift „Die Hochzeit von Himmel und Hölle“ (1793), die Illustrationen zum Buch Hiob (1824) und zu Dantes „Divina Commedia“ (1826) und die späten Versepen wie „Milton“ (1809) und „Jerusalem“ (1804-20), in denen er hebräische, germanische und keltische Mythen zu einer neuen Kosmologie verschmolz. Diese Werke, so unterschiedlich sie auch anmuten, zielen doch alle darauf ab, „die Pforten der Wahrnehmung zu reinigen“, damit der Mensch wieder das Unendliche zu schauen lernt. Blake, der sich als Medium eines poetischen Genius bezeichnete, sah im Künstler die eigentliche Verbindung zu Gott. Die Priester dagegen, Wächter einer pervertierten Religion, hinderten den Menschen mit ihrer Fixierung auf die zehn Gebote daran, seine Energie und seine Phantasien freizusetzen. Als radikaler Künstler wurde Blake zum Ein-Mann-Unternehmer, der seine „illuminierten Bücher“ im Alleingang herstellte: Er schrieb die Verse, er entwarf die Bilder, er fertigte die Druckplatten nach einem von ihm selbst entwickelten Hochdruckverfahren (Reliefradierung) an und kolorierte, von seiner Frau unterstützt, die Drucke. Auf diese Weise entzog er sich allen kommerziellen Zwängen, verlor aber nach und nach sein Publikum. Auch unter dürftigsten Lebensbedingungen fand er in seiner Kunst Erfüllung. „Wenn es je einen glücklichen Menschen unter den Intellektuellen gab“, so ein Zeitgenosse Blakes, „dann war es dieser Künstler.“ Noch auf dem Sterbebett arbeitete er an einer neuen Version seines berühmten Gemäldes: Und Gott erschuf die Welt. Mit den Worten: „Ich gehe in ein Land, das ich schon immer sehen wollte“, beschloss er ein Leben. Peter Ackroyd stellt nicht nur Leben und Werk dieser oft verkannten Genies dar, sondern hebt auch die vielfältigen Inspirationen hervor, die er von deutschen Künstlern und Theoretikern empfing (Winckelmann, Lavater, Heinrich Füssli). Er würdigt Blakes Bedeutung für spätere Generationen und arbeitet anschaulich den zeitgeschichtlichen und politischen Hintergrund heraus, vor dem sich seine Werke erschließen: die konservative Politik eines William Pitt d. J., die Französische Revolution, die Napoleonischen Kriege. Ackroyd erzählt so plastisch von Blakes prägenden Erlebnissen, dass wir uns als Leser in die Ateliers seiner Lehrherrn versetzt glauben, wo wir den Geruch von Nussöl, Decklack und Farbruss einatmen. Wir wähnen uns an der Seite des jungen Künstlers, der die schäbigen Viertel Londons durchstreift, in Westminster Abbey mittelalterliche Gräber nachzeichnet und den Geist der gotischen Kunst in sich aufnimmt. Diese mit dem Atem eines großen Romans geschriebene Biographie schließt eine Lücke auf dem deutschen Buchmarkt.