Bedarfsorientierte Grundsicherung
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Der jüngste Sozialbericht wies für 1999 in Österreich 880.000 Personen als armutsgefährdet aus, 310.000 ÖsterreicherInnen sind von akuter Armut betroffen. Armut ist zwar in der Öffentlichkeit wenig sichtbar, dafür aber vielfältiger präsent, als die üblichen Bilder zeigen. Armut bedeutet für reiche Länder wie Österreich keine absolute physische und soziale Verelendung und stellt nicht die physische Existenz und Überlebensfähigkeit von Menschen in Frage. Trotzdem bedeutet auch hier Armut, verglichen mit den gültigen materiellen und sozialen Standards, Unterversorgung und beträchtlich eingeschränkte materielle und soziale Teilhabechancen. Selbst breit ausgebaute Sozialstaaten wie Österreich haben also Lücken in der sozialen Absicherung, auch hierzulande gibt es working poor und workless poor. Teil I des Buches beschäftigt sich mit drei wichtigen sozialen Feldern für die sozialen Bedingungen unserer Gesellschaft: Petra Wetzel analysiert Armutsrisiken und Versorgungsprobleme in Erwerbsarbeit und sozialen Sicherungssystemen, Katharina Wrohlich setzt sich mit dem sozialen Feld Familie auseinander, und Nikolaus Dimmel widmet sich Problemlagen im Krankheitsfall. Außerdem wird die Sozialhilfe näher auf Lücken und Probleme hin untersucht, jener sozialpolitische Bereich, der genuin der Vermeidung von Armut dienen soll. Vorangestellt ist eine Reflexion des Armutsbegriffs und der Armutsproblematik von Peter Rosner. Diese Problemanalysen liefern Anknüpfungspunkte für das zweite Thema: soziale Grundsicherung als Gegensteuerung zu Verarmung und Ausgrenzung. Emmerich Tálos liefert einen Überblick über die Debatte um eine materielle Grundsicherung und die verschiedenen Grundsicherungsmodelle. Dabei greift er aus den verschiedenen Modellen jenes der „bedarfsorientierten Grundsicherung“ heraus, das in erster Linie an den bestehenden Strukturen sozialstaatlicher Sicherungssysteme ansetzt. Talós geht auf die daraus abgeleiteten Lücken ein sowie auf die Probleme von Verwaltungszuständigkeit und Inanspruchnahme von Leistungen. Deutlich wird, dass dieses Modell ganz wesentlich bestehende Institutionen und Leistungssysteme ergänzt, statt sie wie bei neoliberalen Ansätzen zu ersetzen. In Teil III gehen Tálos, Wrohlich und Dimmel auf den behandelten Feldern der Frage nach, wie die bedarfsorientierte Grundsicherung umgesetzt werden kann, und welche Konsequenzen sich daraus für den Umbau des Sozialstaats ergeben. Zu denkbaren finanziellen Folgen legen Peter Rosner und Katharina Wrohlich eine Kostenschätzung vor: Weder der berechnete Aufwand noch die für die Umsetzung notwendigen rechtlichen Schritte stellen unüberwindliche Hindernisse dar. Das vorliegende Buch belegt, dass ein beträchtlicher gesellschaftspolitischer Handlungsbedarf besteht, Modelle und Wege zur Eindämmung von Armut existieren, Armutspolitik also ökonomisch leistbar ist. Trotzdem sind weder Armutsproblematik noch entsprechende Problemlösungsstrategien Thema der aktuellen Regierungspolitik.