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Fluch und Chance der moralischen Person Die Postmoderne ist Fluch und Chance der moralischen Person zugleich. Und es ist selbst eine moralische Frage, welches der beiden Gesichter sich als ihr bleibendes Ebenbild herausstellen wird. Der Garten Eden war der Ort ohne Moral, und bevor Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis aßen, waren sie keine moralischen Wesen. Daß Menschen „wesentlich moralische Wesen“ sind, heißt nicht, daß sie gut sind, sondern daß sie vor der Wahl zwischen Gut und Böse stehen. Eine solche Situation ist immer ambivalent, jede Entscheidung birgt unabänderlich die Gefahr des Scheiterns. In der Geschichte der Menschheit lassen sich bislang drei deutlich unterschiedene Strategien erkennen, mit dieser Ambivalenz fertig zu werden: Erstens die vormoderne Epoche der religiösen Systeme, die den Menschen Erleichterung durch Reue und Erlösung versprachen. Zweitens die Moderne, die eine von der Möglichkeit der falschen Entscheidung befreite Welt forderte, indem sie die Verantwortung durch Regeln, durch eine endliche Liste von Pflichten, kurz: durch eine ethische Gesetzgebung ersetzte. Drittens die Postmoderne, in der das ethische Monopol des Staates gebrochen ist und die Menschen vor der Wahl zwischen den verschiedenartigsten Angeboten auf dem Markt stehen. Mithin zeigt die Postmoderne ein doppeltes Gesicht: Sie ist zugleich Fluch und Chance der moralischen Person. Die Verantwortung des Handelnden ist grundlegender und folgenreicher als jemals zuvor. Jetzt, da die Idee eines einzigen, einheitlichen Regelsystems aufgegeben wurde, ist die Verantwortung für die Wahl dem einzelnen überlassen. Wir haben deshalb ein schärferes Bewußtsein vom Charakter unserer Entscheidungen. Eine Untersuchung der postmodernen Moral(en) muß deshalb auch immer eine Untersuchung des postmodernen Lebens und der postmodernen Lebensstrategien sein. Um diese Situation der moralischen Ambivalenz im Zeitalter des Abschieds von den Prinzipien kreisen Baumans Essays. Welche Aspekte der Lebensbedingungen machen es unmöglich oder überflüssig, die Politik der Prinzipien zu verfolgen, welche die Moderne kennzeichnete? Nach Baumans Diagnose liegen die Wurzeln der postmodernen Moralprobleme in der Zerrissenheit des gesellschaftlichen Kontexts und divergierenden Lebensinteressen. In den sechs hier abgedruckten Essays beleuchtet Bauman das fragmentarische Leben des modernen Menschen unter so verschiedenen Aspekten wie den Formen des Zusammenseins, dem Bild des Fremden, der Rolle der Gewalt und postmoderner Ängste. Zygmunt Bauman ist Professor emeritus für Soziologie an der Universität Leeds.