Das ist alles viel komplizierter, Herr Sektionschef!
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Ist Bürokratie eine unabdingbare Voraussetzung unserer modernen Gesellschaft und sorgt irgendwann einmal für radikaldemokratische Verhältnisse? Oder liegt es gerade an ihr, dass Bürger und Bürgerinnen Untertanen bleiben und mitunter sogar in den schlimmsten Diktaturen hervorragend funktionieren? Ist sie bloß ein lästiges Relikt überkommener Herrschaftstraditionen oder unangenehme Begleiterscheinung im unvermeidlichen Behördenalltag? Könnte sie nicht einfach eingebremst, kanalisiert oder abgeschafft und ersetzt werden? Aber wer wäre dann dafür zuständig, oder vielmehr wer könnte dazu wirklich imstande sein? „Das ist alles viel komplizierter, Herr Sektionschef!“ Diese Aussage, die Robert Musil einem General in den Mund gelegt hat, kann durchaus auch als Quintessenz verschiedenster Beamtenbestseller, Bürokratieklassiker oder experimenteller Behördentexte gesehen werden. In ihren Untersuchungen zu Kafka, Roth, Herzmanovsky-Orlando über Alois Brandstetter, Friedrich Kleinwächter und Gustav von Festenberg bis hin zu Drach, Konrad Bayer und Heimrad Bäcker zeigt Sabine Zelger, wie die Literatur über sozialwissenschaftliche oder herrschaftssoziologische Theoriegebäude hinaus komplexe und überraschende Erkenntnisse zur Bürokratie liefert. Es scheint geradezu, dass die Literatur für das Verständnis der modernen Verwaltung unabdingbar ist. Fiktionale Bürokratie führt die Zweckhaftigkeit des Fehlers, den Fluch der Götter, den Segen der Satire vor. Sie veranschaulicht die Komplizenschaft zwischen System und Lebenswelt, die Universalität nationalbürokratischen Eigensinns und erzählt vom falschen oder richtigen Leben in der Bürokratie. Nicht zuletzt zeigt sie, wie das Amt statt als ökonomischer Haushalt zu funktionieren ökologischen und genetischen Ordnungen folgt und gerade deshalb machttechnisch ziemlich hohe Profite einfährt. Wenn in der Literatur zwar alle Entbürokratisierungsstrategien scheitern, so bietet sie doch überaus spannende Destaatlichungsversuche und demonstriert detailreich, dass unsere moderne Verwaltung weder ein finanzielles noch ein Behördenproblem, sondern ein gesamtgesellschaftliches Dilemma darstellt, dem weder der niedere und mittlere Verwaltungsstab noch die Sektionschefs und schon gar nicht wir Bürger und Bürgerinnen entkommen.