Sensible Sammlungen
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'Sensible Objekte' in musealen Sammlungen werden seit den achtziger Jahren als 'menschliche Überreste' und 'Gegenstände von religiöser Bedeutung' definiert. Dabei sind nicht nur die Gegenstände selbst 'sensibel', sondern auch und vor allem die Umstände ihrer Herstellung und Beschaffung. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert reisten europäische Forscher in die kolonialisierten Teile der Welt. Sie sammelten Anthropologica – Knochen, Haarproben und Präparate – und Ethnografica – Gegenstände aus der materiellen Kultur – von Angehörigen der dort lebenden sogenannten 'aussterbenden Völker' und brachten sie in wissenschaftliche Sammlungen und Museen in Europa. Unter ähnlichen ethnografischen Fragstellungen und Sammlungsinteressen richtete sich der Blick aber auch auf in Europa lebende Bevölkerungsgruppen. Bei ihren Forschungen innerhalb und außerhalb Europas produzierten Wissenschaftler und Sammler Messdaten, Körperbeschreibungen, Zeichnungen, Fotografien, Gipsabgüsse, Filme und Tonaufnahmen von lebenden Menschen. Diese Zeugnisse wurden mithilfe handwerklicher und technischer Verfahren von ihren Körpern abgenommen. Sie entstanden oftmals in für die Erforschten prekären Situationen wie in Gefängnissen, Polizeistationen oder militärischen Einrichtungen und sind von kolonialen Herrschaftsstrukturen und der Definitionsmacht von Wissenschaftlern und Behörden geprägt. In diesem Buch wird die Geschichte solcher Sammlungsbestände in ihrem spezifischen kulturhistorischen Kontext an einer Reihe von Beispielen entlang erzählt. Mit Gipsabdrücken und Tondokumenten geraten dabei vor allem bisher weniger untersuchte Objekte als Bestandteile 'sensibler Sammlungen' in den Blick.