Die Zeit in der Zeit
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Es gibt wenige Blätter, die in jenem Sinne für die Bundesrepublik Deutschland stehen, wie „The Times“ Großbritannien repräsentiert und „Le Mond“ Frankreich. In Deutschland drängen sich einem zuerst drei Blätter auf, die fast fünf Jahrzehnte lang den Weg Deutschlands aus der Niederlage und der Gründung zweier deutscher Staaten bis zur Wiedervereinigung des getrennten Landes repräsentiert haben: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Spiegel und Die Zeit. Dieses hanseatisch-liberale Wochenblatt, ein halbes Jahrhundert hindurch geprägt von seinem im September 1995 verstorbenen Verleger Gerd Bucerius, wurde immer deutlicher die Stimme einer besonderen Liberalität, und eben darin ist sie sich treu geblieben, so viele Wandlungen Die Zeit auch durchmachte. Einst fand sie sich schwer ab mit, dem Verlust der Provinzen im Osten, denen ihre langjährige Chefredakteurin Marion Gräfin Dönhoff selber entstammte. Dann wurde sie die entschiedenste Fürsprecherin des neuen Staates zwischen Rhein, Donau und Elbe und suchte Deutschlands Frieden mit der Gegenmacht im deutschen Osten. Immer unverwechselbarer war die Zeit dann die Propagandistin des Neuen -in Politik, Gesellschaft, Wissenschaft sind Kunst. Während der 50er und 60er Jahre konnte man das damals von Rudolf Walter Leonhardt im Feuilleton geprägte Blatt so etwas wie das „Zentralorgan“ der Gruppe 47 nennen; als sich die Zeit der beiden Teilstaaten dem Ende zuneigte, trat die von Theo Sommer erst als Kommentator, danach als Chefredakteur, dann als Herausgeber geprägte Zeit immer entschiedener dafür ein, daß die Grenze zwischen den beiden Weltmächten zu einer Zone der Entspannung wurde, wobei sie Willy Brandts und Egon Bahrs Formel vom Wandel der Zeit durch Annäherung in praktischen Journalismus umzusetzen suchte. So ist die Zeit, die nur wenige Monate nach dem Tod ihres Gründers ihr 50. Gründungsjubiläum begeht, zugleich Spiegel, Geschöpf und prägende Kraft des Landes, das mit der Wiedervereinigung noch einmal zu einem deutschen Nationalstaat geworden ist. Die erste Ausgabe der ZEIT erschien am 21. Februar 1946. In einem ungeheizten Zimmer beim dünnen Schein selbstgebastelter Petroleumlampen wurde sie damals zusammengeschrieben, inmitten von Trümmern, Düsternis auch in den Herzen. Längst hat sich das Dunkel gelichtet. Aus der einen ungeheizten Redaktionsstube sind fünf Etagen im Hamburger Pressehaus geworden, aus einer Handvoll Redakteure eine Hundertschaft, aus einer Auflage von 25.000 fast eine halbe Million. Zur Rechten und Linken sind die Konkurrenten von ehedem auf der Strecke geblieben. Neuere Wochenzeitungen liegen in weitem Auflagenabstand hinter der ZEIT zurück. in diesem Buch läßt Karl Heinz Janßen die alten Zeiten -die alten ZEITen -wieder lebendig werden.