Ein vaterländisches Bilderbuch
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Vergangenheit und Gegenwart sprechen nicht für sich, sondern sind stets eine kulturelle Schöpfung. Die Welt der Bilder erzählt nie die Geschichte selbst, sondern offeriert Chiffren, die erst entschlüsselt und zum Sprechen gebracht werden müssen. Erst dadurch entsteht der sinnstiftende Kontext der Interpretation, mit dessen Hilfe wir den „Bildersaal der Geschichte“ zu durchschreiten vermögen, der in seinem Erscheinungsbild seit der Französischen Revolution eine tiefgreifende Veränderung erfahren hat. Das 20. Jahrhundert wurde das Jahrhundert der Bilder. Die Photographie und der Film wurden „Zeugen der Zeit“. Während von 1900 die Presse mit ihren Nachrichten und Bildern den Ereignissen oft Wochen nachhinkte, verkürzte sich diese Differenz nach dem Ersten Weltkrieg auf Tage und Stunden. Die kollektive Wahrnehmung erfolgte zunehmend durch die Linse des Photographen. Das Photo, vor allem das Pressephoto, wurde zum Inbegriff der Wirklichkeit. Die in diesem Band enthaltenen Photographien illustrieren die Selbstinszenierung der Vaterländischen Front. Als Bilder „von oben“ blenden sie die Geschichte „von unten“ aus. Armut, Arbeitslosigkeit und Hunger sind nicht ihr Thema, sie sind keine Sozialreportage. Als Dokumente der defensiven Selbstinszenierung vor allem gegenüber dem Nationalsozialismus legen sie jedoch die Strukturen und den imitativen Charakter der propagandistischen Bemühungen offen. In diesem Kontext verlieren sie ihren musealen Charakter und offerieren dem Betrachter eine Schrift, die man lesen kann.