Gedichte an die Nacht
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»Nacht« ist das nach »Leben« häufigste Substantiv in Rilkes lyrischem Sprachschatz. Schon die Anfänge seiner Dichtung schöpfen aus dem Fundus abendländischer Lyrik, die das Motiv in seiner zwischen Naturbild und Seelensymbol schillernden Vieldeutigkeit seit je umspielt. Doch erst unter dem Eindruck der Spanienreise von 1913 erschließt Rilke dem Thema bis dahin unerhörte Bereiche, und er stellt es als Leitwort über das neben den Duineser Elegien wichtigste Vorhaben der späten Jahre: den Zyklus der Gedichte an die Nacht. Auf sie greift er zurück, als er zweifelt, die Elegien je abschließen zu können, und trägt im Spätjahr 1916, gleichsam als Akt der Selbstbestätigung, zweiundzwanzig von ihnen in ein Schreibbuch für Rudolf Kassner ein, den »einzigen Mann«, mit dem er »etwas anzufangen weiß«, wie er Lou Andreas-Salomé einst bekannt hatte. In dieser für den Freund bestimmten Gestalt werden die Gedichte an die Nacht hier zum erstenmal vorgelegt; sie gewähren damit Einblick in den Aufbauplan eines Projektes, das Rilke erst aufgibt, als die Elegien vollendet sind. Der vorliegende Band bietet zudem eine Auswahl themenverwandter Gedichte aus allen Schaffenszeiten Rilkes, die es erlaubt, die Entfaltung des Nachtmotivs im Gesamtwerk zu verfolgen.