Jahre der Entscheidung
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Keine Frage: Die Schriften des Geschichtsphilosophen, Kulturhistorikers und politischen Schriftstellers Oswald Spengler (1880–1936), des „Philosophen des Schicksals“ und „Meisterdenkers der Konservativen Revolution“, werden wieder gelesen und intensiv diskutiert. So auch Spenglers 1933 erschienene Schrift „Jahre der Entscheidung“, die immer wieder auch als hellsichtige Vorwegnahme heutiger politischer und ökologischer Krisen in einer globalisierten Welt gelesen und gedeutet wird und nun in einer mit einem Vorwort des Spengler-Experten Frank Lisson versehenen Neuauflage wieder greifbar ist. Die Drucklegung dieses letzten Werkes Spenglers, das im wesentlichen auf seinen Hauptwerken „Der Untergang des Abendlandes“ (1918/1922) und „Der Mensch und die Technik“ (1931) aufbaut, war bereits weit vorangeschritten, als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 die Macht im Deutschen Reich übernahmen. Spengler änderte daraufhin den ursprünglichen Titel des Buches („Deutschland in Gefahr“), um Irritationen zu vermeiden. Dennoch verstanden die Nationalsozialisten diese Spengler-Schrift als „ersten ganz großen ideologischen Angriff auf die nationalsozialistische Weltanschauung“. Denn Oswald Spengler verfügte über das, was gemeinhin als „visionärer Blick“ bezeichnet wird. Von dieser Warte aus sah er den Niedergang von Europa und dessen Kultur voraus, nicht zuletzt ausgelöst durch das „Zeitalter der Weltkriege“. Europa werde seine zentrale Position zugunsten anderer aufstrebender Staaten und Regionen in der Welt (zum Beispiel Rußland oder Asien) verlieren. Für bedrohlich hielt Spengler auch die „farbige Weltrevolution“, die die Stellung Europas zusätzlich schwächen werde. Den Niedergang Europas machte Spengler aber nicht nur an den Konsequenzen des „Zeitalters der Weltkriege“ fest, sondern auch – und hier zeigt sich unter anderem die Aktualität Spenglers – am demographischen Faktor. Die „Fruchtbarkeit der Farbigen“ übertreffe den Geburtenstand Europas in einem bedrohlichen Maße. Durch die demographische Katastrophe verspiele Europa seine Zukunft. Diesem pessimistischen Szenario setzte Spengler die Hoffnung entgegen, daß der physische Untergang Europas verzögert werden könne. Insbesondere die Deutschen müßten „die große Politik erlernen“ und ihre Willensstärke, die noch große Möglichkeiten eröffnen könnte, wiederentdecken. Spengler versucht in allen seinen Schriften stets, das Ganze der Entwicklung im Auge zu behalten, weil nur dadurch auch jene Gefahren, die (noch) keine unmittelbaren sind, erkannt werden können. Von der Politik fordert er Weitsicht und einen kühlen Tatsachensinn, der sowohl vor Weltmachtsträumereien als auch vor utopischer Sozialromantik bewahrt. Der Autor: Frank Lisson, Jahrgang 1970, Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie (MA), schreibt Romane, Features, Hörspiele und Sachbücher mit dem Schwerpunkt Kulturphilosophie. Veröffentlichungen vor allem über Nietzsche und Spengler, u. a.: Nietzsche, 2004; Oswald Spengler, Philosoph des Schicksals, 2005.
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