Der jüdische Selbsthass
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An dem Tage,' an welchem ich dies Buch vom Selbsthaß zu schreiben beginne, feiern die Juden im Westen ein frohes Fest: den zweihundertsten Geburtstag eines Mannes, der die Fesseln des Galuth von ihnen nahm und als erster 'ihnen den Weg zeigte in die deutsche Bildung, Gesittung und Sprache. Moses Mendelssohn, ein kleiner Thoraschreibersohn aus Dessau, war der Wundermann, der aus verstreuten Haufen von „Träumern des Ghetto“ die ehrengeachteten Gemeinden „deutscher Bürger mosaischer Konfession“ erschmiedete. Wir müssen seine Tat heute mit andem Augen ansehn, als mit den Augen des Zeitalters der Aufklärung (Haskala). Um 1800 bildeten Juden und Parsen, als letzte Reste zweier uralter, über die ganze Erde hin zerstreuter Völker, eine Art Zwischenglied zwischen der allbesiegenden Willensmacht Europa-Amerika und der langsam untergehenden Gestaltenwelt des alten Afrika und Asien. Das Ghetto war inmitten des alles zivilisierenden christlichen Staates ein Stück Romantik und Altertum. Unsre Gegnerschaft gegen die christliche Zivilisationswelt wurde unhaltbar. Sie war genau so vergeblich, wie der Widerstand der Indianer, Neger, Araber, Beduinen, Chinesen oder Hindu gegen die „Kultur“. An der Sonne „Kultur“ schmolzen die Vorweltvölker dahin. Der Widerstand, den die Juden leisteten, war nicht anders aufzufassen, wie etwa der Widerstand der alten Sachsen gegen ihre „Verchristlichung“ durch Kar! den Großen. Weit über die Zeit Luthers hinaus werden denn auch die Juden immer zusammen genannt mit den „Heiden“. „Du bist ein Jude“, das hieß ursprünglich: „Du bist kein christlicher, sondern ein barbarischer und heidnischer Mensch.“ Die Entwicklung zur „modemen Kultur“ ist eben von der Geschichte des Christentums nicht zu trennen. Moses Mendelssohn räumte mit der jüdischen Vergangenheit auf, weil er (wie später Heinrich Heine das ausdrückte) für sein Volk „das Entreebillett zur europäischen Kultur“ haben wollte.